Übergabe = Übereignung? Nein!

In der JA 2014, S. 801ff schreibt Förster zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in §§ 312ff BGB. Dabei heißt es auf Seite 807:

Allein für den Unternehmer wurde auch ein absoluter Fälligkeitstermin bestimmt, wonach er spätestens 30 Tage nach Vertragsschluss die Sache an den Verbraucher übereignen <Hervorhebung nicht im Original> muss (§ 474 III 2 BGB).

Also ein Blick in § 474 III 2 BGB:

Der Unternehmer muss die Sache in diesem Fall spätestens 30 Tage nach Vertragsschluss übergeben.

Im Gesetz steht „übergeben“, in dem Aufsatz aber „übereignen“ .

Schon beginnt man, an sich selbst zu zweifeln. Sollte es da irgendeine vom Wortlaut abweichende Meinung geben?

Ein Blick in einen Kommentar trägt zur Beruhigung bei:

Hinsichtlich der Pflicht zur Übereignung <Hervorhebung nicht im Original> gilt Abs 3 S 2 nicht.

(Faust in BeckOK, BGB, 01.08.2014, § 474 Rn. 39.)

Es bleibt also festzuhalten: Wir müssen Übergabe und Übereignung unterscheiden. In § 474 III 2 BGB ist der Wortlaut genau zu nehmen – es ist Übergabe gemeint.

3 comments

  1. Christoph Smets sagt:

    Ein Leserbrief an die JA wäre sicherlich hilfreich für die Leser, die nicht auf diesem Blog vorbeischauen und die JA (weniger sicherlich der Autor) freut sich bestimmt.

    • klartext-jura sagt:

      Danke für den Hinweis. Ich werde praktischerweise die JA-Redaktion einladen, hier mitzulesen, dann kann sie auch gleich hier mitkommentieren.

  2. klartext-jura sagt:

    Update:

    Nachdem ich die JA, wie hier von Christoph Smets angeregt, informiert habe, hat mir Professor Förster geschrieben. Mit seiner freundlichen Erlaubnis gebe ich hier seine Mail wieder:

    „Liebe Frau Herberger,

    abgesehen davon, dass der von Ihnen angesprochene, vermeintlich fehlerhafte Begriff der „Übereignung“ wenig mit der in meinem Beitrag umfassend behandelten VRRL-Umsetzung zu tun hat, haben Sie mit Blick auf den Wortlaut von § 474 Abs. 3 S. 2 BGB natürlich recht, da dort von der „Übergabe“ die Rede ist.

    Inhaltlich geht es freilich um die Übergabe als Teil der Übereignung (§ 929 BGB): Die Regelung knüpft bei § 271 Abs. 1 BGB an, der im Zweifelsfall von einer sofortigen Leistungspflicht ausgeht, für die § 474 Abs. 3 S. 2 BGB im Verbraucherinteresse eine absolute Frist auch ohne besondere Vertragsbestimmung (vgl. § 271 Abs. 2 BGB) festlegt. Die vom Verkäufer geschuldete Leistung besteht jedoch ausweislich § 433 Abs. 1 S. 1 BGB nicht nur in der Übergabe (= Besitzverschaffung), sondern auch und gerade in der Übereignung (= Eigentumsverschaffung). Diese ist immer erst mit dem letzten „Übereignungsakt“ vollzogen, d.h. entweder mit der Einigung oder der Übergabe, je nachdem, was später erfolgt. Da es realitätsfern wäre, anzunehmen, dass sich Käufer und Verkäufer beim Vertragsabschluss noch nicht über den sofortigen Eigentumsübergang Zug-um-Zug gegen Kaufpreiszahlung geeinigt haben (so sie keinen Eigentumsvorbehalt wollten), erfolgt mit der Übergabe auch zugleich die Übereignung. Auf die kommt es dem Käufer schließlich auch in der Sache an, denn er möchte ja das Brötchen, Fahrrad oder Auto als eigenes besitzen, um damit „nach Belieben verfahren“ zu können (vgl. § 903 BGB).

    Wie Herr Faust zu seiner abweichenden Ansicht gekommen ist, vermag ich nicht zu sagen, denn seine Kommentierung erhält dazu keine Begründung.

    Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen,

    viele Grüße

    Christian Förster“

    Nach dieser Antwort steht für mich fest, dass es über die Frage „Übergabe = Übereignung“ in diesem Kontext eine Kontroverse gibt, die man in Klausuren idealerweise darstellen sollte. Nach der Regel, was von angesehenen Autoren vertreten wird, ist vertretbar, kann man sich nun entscheiden, ob man Faust oder Förster folgt. Für die Ansicht von Faust kann man Richtlinie 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011 ins Feld führen. In Art. 18 heißt es dort:

    „Artikel 18 Lieferung

    (1) Sofern die Vertragsparteien hinsichtlich des Zeitpunkts
    der Lieferung nichts anderes vereinbart haben, liefert der Unternehmer
    die Waren, indem er den physischen Besitz an den
    Waren oder die Kontrolle über die Waren dem Verbraucher
    unverzüglich, jedoch nicht später als dreißig Tage nach Vertragsabschluss,
    überträgt.“

    Für die Lesart „Übergabe“ (statt Übereignung) spricht auch Erwägungsgrund 51 der Richtlinie, wo es heißt:

    „Der Ort und die Modalitäten der Liefe­rung und die Regeln für die Bestimmung der Bedingun­gen und des Zeitpunkts des Übergangs des Eigentums an den Waren sollten weiterhin dem einzelstaatlichen Recht unterliegen und daher von dieser Richtlinie nicht berührt werden.“

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