Haben Flächennutzungspläne unmittelbare Außenwirkung?

herbstimpressionenIn der staatlichen Pflichtfachprüfung im Saarland spielte die Frage eine Rolle, ob dem Flächennutzungsplan Außenwirkung zukommen kann. Wer sich mit dem Beitrag von Voßkuhle/Kaiser aus der didaktisch empfehlenswerten JuS-Serie „Grundwissen“ (JuS 2014, 1074 ff) vorbereitet hatte, stand in der Versuchung, in die aufgestellte Prüfungsfalle zu tappen.

Denn bei Voßkuhle/Kaiser konnte man lesen:

Während dem Flächennutzungsplan wegen seiner vorbereitenden Natur keine unmittelbare Außenwirkung zukommt und er als hoheitliche Maßnahme eigener Art bezeichnet wird, ist der Bebauungsplan als Satzung zu qualifizieren, § 10 I BauGB (vgl. aber auch § 246 II 1 und 2 BauGB).

(JuS 2014, 1074)

Nun gibt es aber – und darauf zielte die Klausur ab – Konstellationen, in denen der Flächennutzungsplan Außenwirkung entfaltet. Das hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 24.04.2007 (4 CN 3/06, Rn. 16) wie folgt festgestellt:

Kraft gesetzlicher Anordnung in § 35 III 3 BauGB entfalten die im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszonen auf der Ebene der Vorhabenszulassung rechtliche Außenwirkung.

(Dieses Urteil wird in dem Aufsatz von Voßkuhle/Kaiser sogar unter V. Leitentscheidungen angeführt, allerdings mit unzutreffender Seitenzahl: Seite 328 statt Seite 382, weswegen der Link innerhalb der beck-online-Datenbank nicht funktioniert.)

Dass die so angenommene Außenwirkung auch eine unmittelbare ist, unterstreicht das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 31.01.2013 (4 CN 1/12, Rn. 14) so:

Aus sich heraus besitzen die Darstellungen des Flächennutzungsplans keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung gegenüber dem Bürger (Urteil vom 26. April 2007 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.).

[…]

Mit dem flankierend zum Privilegierungstatbestand für die Windenergienutzung (jetzt: § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) geschaffenen Planvorbehalt in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ist der Gesetzgeber jedoch einen Schritt weiter gegangen.

[…]

Kraft dieser gesetzlichen Anweisung führt die Darstellung von Positivflächen aufgrund der planerischen Entscheidung der Gemeinde, dass dieser Ausweisung im Sinne einer „Konzentrationsflächenplanung“ die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zukommen sollen, unmittelbar zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit von Vorhaben auf den nicht ausgewiesenen Flächen (sog. Ausschluss- oder Negativflächen). Damit hat der Gesetzgeber den Gemeinden ein neuartiges Instrument verbindlicher Standortsteuerung an die Hand gegeben, das im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB die Rechte der Bürger unmittelbar regelt und der Bindungskraft von Festsetzungen eines Bebauungsplans gleichkommt (Urteil vom 26. April 2007 a.a.O. Rn. 16).

(Hervorhebungen nicht im Original)

Sehr verständlich wird diese Überlegung vom VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 29.01.2013, 3 S 1409/11, Rn. 30) auf den Punkt gebracht:

Zwar ist ein Flächennutzungsplan keine Satzung (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und auch sonst keine Rechtsnorm (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Er bedarf als vorbereitender Bauleitplan grundsätzlich noch einer konkreten Umsetzung durch den Bebauungsplan als dem verbindlichen Bauleitplan (§ 1 Abs. 2 BauGB) mit der Folge, dass er in der Regel keine unmittelbaren rechtlichen Außenwirkungen gegenüber Privaten wie der Antragstellerin entfaltet, sondern (nur) die Antragsgegnerin intern über das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB bindet. Doch stehen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 1. Alt. BauGB einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB – d.h. also auch ortsgebundenen gewerblichen Betrieben wie Steinbrüchen – öffentliche Belange in der Regel entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist (vgl. insbes. BVerwG , Beschluss vom 23.10.2008 – 4 BN 16.08 -, BauR 2009, 475 und Urteil vom 26.04.2007 – 4 CN 3.06 -, BVerwGE 128, 382). In solchen Fällen entfaltet ein Flächennutzungsplan unmittelbare Außenwirkung und erfüllt mithin eine einem Bebauungsplan vergleichbare Funktion, so dass für seine gerichtliche Kontrolle § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO entsprechend anzuwenden ist (vgl. nochmals BVerwG, Beschluss vom 23.10.2008, a.a.O. und Urteil vom 26.04.2007, a.a.O.).

(Hervorhebung nicht im Original)

Wir sehen: Die These, dass dem Flächennutzungsplan keine unmittelbare Außenwirkung zukommt, bedarf der Einschränkung.

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