Der Schokoladen-Osterhase von Koblenz

Ja, es gibt entspannte Momente im Referendariat, viel zu selten zwar, aber immerhin. Dazu gehört das Pausen-Geplauder in der Cafeteria. Letzte Woche wurde dabei in vorösterlicher Runde von einem Amtsträger folgende Geschichte erzählt:

In Koblenz sei in einem Großverfahren eine Schöffin erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden, weil sie dem Staatsanwalt zu Ostern einen Schokoladen-Osterhasen geschenkt habe. Wegen des sich aufdrängenden Bezugs zu Ostern konnte der Versuchung nicht widerstanden werden, abweichend von der Regel „Kein Blog-Eintrag an Feiertagen“ hier zum Ostermontag die Frage aufzuwerfen, ob es sich dabei um eine „urban (legal) legend“ möglicherweise mit 1. April-Charakter oder eine wahre Geschichte handelt.Die Antwort lässt sich mit einer Google-Suche (die sich natürlich aus naheliegenden Gründen beim Cafeteria-Smalltalk verbot) leicht finden, wenn man „Koblenz Osterhase Schöffin“ eingibt. Da erfährt man dann, dass es gar nicht um einen Schokoladen-Osterhasen ging, sondern um zwei Schokoladen-Nikoläuse und dass es keine Schöffin war, gegen die darauf gestützt die Besorgnis der Befangenheit abgeleitet wurde, sondern ein Schöffe. (Das hatte übrigens schon Google bei der Suche geahnt und nachgefragt: „Meintest Du: Koblenz Osterhase Schöffe?“)

Aber wie kommt nun der Osterhase in die Geschichte? Möglicherweise durch die Rechtsanwälte Zipper und Partner, in deren Blog die Berichterstattung über diesen Fall wie folgt eingeleitet wird:

Zwar handelt es sich vorliegend um eine ältere Entscheidung und der Dreh-und Angelpunkt waren auch keine Osterhasen, sondern Schokoladennikoläuse.
Da Ostern jedoch vor der Türe steht und die Süßigkeiten auch am Frühjahrsfest gerne verschenkt werden, könnte die Entscheidung trotz allem von Interesse sein.

So macht man also stilistisch geschickt aus einem Beitrag mit Weihnachtsbezug einen mit Osterbezug, wenn man österlich zur Feder greifen will. Inhaltlich ist der Beitrag aber natürlich völlig korrekt und trägt nicht die Mutation vom Schokoladen-Nikolaus zum Schokoladen-Osterhasen mit. Also in der Cafeteria-Erzählung doch ein erster Verwandlungsschritt, wie er für „urban legends“ charakteristisch ist?

Aber nun verfügen wir auf Grund der beiden zitierten Beiträge wenigstens über die genauen Angaben zum Fall:

LG Koblenz, Beschluss v. 19.12.2012, 2090 Js 29.752/10-12 KLs

Und so kann man dann den Beschluss bei juris finden. Der Orientierungssatz lautet:

Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Schöffen ist aus der Sicht eines vernünftigen Prozessbeteiligten gerechtfertigt, wenn ein Schöffe vor Beginn des (hier: 26.) Verhandlungstages Schokoladennikoläuse auf den üblicherweise von den Staatsanwälten benutzten Sitzungstisch legt.

Wer übrigens glaubt, es gäbe eine vergleichbare Gerichtsfolklore anderwärts nicht, kann eines Besseren belehrt werden. Ich habe selbst an einer Gerichtsstelle den von einem Anwalt praktizierten Brauch erlebt, allen Verfahrensbeteiligten nach Abschluss der Verhandlung Gummibärchen zu schenken.

P.S. Was in Sachen „Besorgnis der Befangenheit“ für Schokoladen-Nikoläuse gilt, muss auch für Schokoladen-Osterhasen gelten. Vgl. zur umgekehrten Analogie hier den Beitrag „Zu Ostern: Der Schokoladen-Osterhase, der wie ein Schokoladen-Weihnachtsmann zu behandeln ist.“

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