Urheberrechtsschutz für Klausuren?

SolmeckeWenn man eine Zeit lang mit juristischen Texten gelernt hat, ist es eine schöne Abwechslung, einmal entspannt Bilder sprechen zu lassen. So ging mir das, als ich die Frage klären wollte, ob Klausuren urheberrechtlich geschützt sind. Denn zu diesem Thema gibt es bei YouTube ein Video der Kanzlei WBS (daraus auch das Bild).

Das Gespräch zwischen Rechtsanwalt Solmecke und Rechtsanwalt Bohlen kreist, so teilen uns die Gesprächspartner mit, um eine Entscheidung des OLG Köln. Es ging in dem Fall um die nicht-genehmigte Verwendung universitärer Multiple Choice-Klausuren aus einem Medizinerpraktikum in Chemie durch ein nicht-universitäres Repetitorium.

Solmecke:

Dazu haben wir auch einen Fall gefunden, sogar vom Oberlandesgericht Köln, und da ging es um Multiple Choice-Fragen.

(1:38 – 1:44)

Bohlen:

Und da hat das Oberlandesgericht Köln in einer Entscheidung, ich glaube schon aus dem Jahr 1999, aber die gilt immer noch, hat dann gesagt, schon die Zusammenstellung der Aufgaben und auch die Zusammenstellung der Antworten einschließlich des Erfindens der falschen Antworten stellt eine hinreichend schöpferische geistige Leistung dar und macht die Sache urheberrechtsfähig, und deshalb hätte die Universität, die die Klausuren zur Verfügung gestellt hat, gefragt werden müssen, und das ist eben nicht passiert und deshalb hat das Repetitorium einen auf´n Deckel bekommen.

(2:34 – 2:57)

Also, schließt der Zuhörer: Ein wichtige Entscheidung „sogar vom Oberlandesgericht Köln“ und „die gilt immer noch“ (was immer dieses Weitergelten denn sein mag). Deswegen möchte man die Entscheidung nachlesen. Da die Fundstelle nicht angegeben wird, macht man sich auf die Suche und versucht bei juris und beck-online die Suchworte „OLG Köln“ und „multiple choice“ – ohne Erfolg allerdings.

Nun muss eine kreative Alternativ-Idee her. Denn man kann ja unterstellen, dass es eine Entscheidung gibt. Aber vielleicht stammt diese nicht vom OLG Köln? Also neue Suche mit „multiple choice“ und „Urheberrechtsschutz“ bei juris und beck-online. Beide Male ist erster Treffer die Entscheidung des LG Köln vom 1.1.1999 (28 O 161/99). Also nicht „sogar“ das OLG Köln, sondern das LG Köln.

Buchen wir diese kleine Such-Herausforderung im Video als sportlich gemeinte Recherche-Einladung ab und betrachten ein Argument von Solmecke zu der Frage, welche Folgerungen man im Zusammenhang mit der diskutierten Entscheidung für juristische Problemlösungen ziehen kann.

Solmecke:

Interessant ist, dass dann manche sogar die Rechtsauffassung vertreten, dass die Lösung selbst nicht urheberrechtsfähig ist, weil eine Lösung immer nur eindeutig ist. Das halte ich allerdings für fragwürdig, gerade im juristischen Bereich. Ich habe noch nie gesehen, dass zwei Juristen auf die gleiche Lösung gekommen wären. Das sind immer schon ziemlich kreative Angelegenheiten. Vielleicht bei Mathematik, aber … auch da gibt’s verschiedene Wege, die zum Ziel führen.

(2:58 – 3:27)

Das ist (an der etwas saloppen Formulierung sollte man sich nicht stören) ein berechtigter Hinweis aus der Praxis auf die in juristischen Argumentations- und Begründungskontexten vorhandenen Spielräume für Kreativität, insbesondere was Lösungswege angeht.

Im zweiten Teil des Videos wird dann noch eine weitere urheberrechtliche Frage erörtert.

Solmecke:

Bei unseren Recherchen haben wir dann gesehen, dass jemand sagte: Hey, die Lehrer selbst, die verhalten sich auch nicht ganz korrekt, denn die haben aus den ganzen Schulbüchern doch Fotos, die die in den Klausuren nutzen, und das dürfte doch auch eine Urheberrechtsverletzung sein. Haben wir natürlich auch geprüft und siehe da, § 53 Absatz 3 Urheberrechtsgesetz regelt genau diesen Fall. Kopien zu Zwecken von solchen Prüfungen, die sind möglich, für staatliche Prüfungen und Prüfungen in Schulen, in nicht-gewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in der Berufsbildung in der erforderlichen Anzahl, sofern sie verteilt werden im Unterricht … Also das ist jedenfalls keine Urheberrechtsverletzung, wenn Lehrer sich da für Klausuren Bildchen raus kopieren.

(3:28 – 4:19)

Es geht also um den Fall, dass Lehrer aus Schulbüchern Fotos für Klausuren kopieren. § 53 Abs. 3 UrhG, der auszugsweise zitiert wird, lautet:

Zulässig ist, Vervielfältigungsstücke von kleinen Teilen eines Werkes, von Werken von geringem Umfang oder von einzelnen Beiträgen, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen oder öffentlich zugänglich gemacht worden sind, zum eigenen Gebrauch

1. zur Veranschaulichung des Unterrichts in Schulen, in nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in Einrichtungen der Berufsbildung in der für die Unterrichtsteilnehmer erforderlichen Anzahl oder

2. für staatliche Prüfungen und Prüfungen in Schulen, Hochschulen, in nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie in der Berufsbildung in der erforderlichen Anzahl

herzustellen oder herstellen zu lassen, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist. Die Vervielfältigung eines Werkes, das für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt ist, ist stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig.

Tatsächlich enthält die Vorschrift die von Solmecke zitierte Schranke. Aber der Schluss, man dürfe deswegen ohne weiteres aus Schulbüchern für Klausuren kopieren, ist nicht gerechtfertigt. Denn der letzte Satz enthält die Ausnahme, dass Kopien aus für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig sind. Der Gesetzgeber hat das so begründet:

Das Bedürfnis, Eingriffe in den Primärmarkt der Bildungsverlage durch die Schrankenregelung zu vermeiden, ist bei § 53 besonders groß, da das Erstellen von Kopien aus Schulbüchern in Klassenstärke weit verbreitet ist und zu entsprechenden Einschnitten bei der Verwertung der betroffenen Werke durch die Verlage führt.

(BT.-Drs. 16/5939, 45)

Über § 53 Abs. 3 UrhG kommt man also nicht zu der von Solmecke propagierten Lösung. Trotzdem kann man in den Schulen so verfahren, weil die Länder gemeinsam mit den Bildungs- und Schulbuchverlagen sowie den Verwertungsgesellschaften WORT, Bild-Kunst und Musikedition eine Vereinbarung getroffen haben (vgl. dazu die Übersicht unter www.schulbuchkopie.de).

Ein Kommentar

  1. […] Urheberrechtsschutz für Klausuren (an Uni, Multiple Choice, Antwort: ja) […]

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