Jura lernen mit Thomas Tuchel: Die kurze Freiheitsstrafe

Am 17.12.2016 wurde Marco Reus im Bundesliga-Spiel gegen Hoffenheim in der 41. Minute des Platzes verwiesen.

Beim Abgang in die Kabine soll er aus Ärger darüber gegen eine Plexiglas-Scheibe im Kabinengang der Sinsheimer Arena getreten haben. Aber das wäre ein anderes Thema (§ 303 Abs. 1 StGB?), das hier und heute nicht weiter verfolgt werden soll.

Nach nahezu übereinstimmender Meinung wurde Marco Reus zu Unrecht des Platzes verwiesen, was seinen Ärger erklären mag (das wäre aber kein Rechtfertigungsgrund für eine Sachbeschädigung). Der Platzverweis ließ Thomas Tuchel nicht ruhen. Er griff drei Tage später in einer Pressekonferenz das Thema wie folgt auf:

Es fühlt sich schon so ein bisschen an als, – ja – keine Ahnung, als würdest Du beim Ladendiebstahl erwischt vom Kaufhausdetektiv, und in der Kamera stellt sich raus, du hast gar nichts geklaut, da gehst Du trotzdem ne Woche in den Bau, weil – ja – der Detektiv hat gedacht er hat´s gesehen und dann ist das halt so. Und wenn man sich das mal vorstellt, wie absurd das ist, so fühlen wir uns gerade.

(00:27 – 00:45)

Das führt nun zu der Frage, ob es eine einwöchige Freiheitsstrafe geben darf.

Dem steht § 38 Abs. 2 StGB entgegen:

Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.

Und wenn man einmal dabei ist, etwas über die kurze Freiheitsstrafe zu lernen, sollte man noch einen Blick in § 47 Abs. 1 StGB werfen:

Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

Des Weiteren stellt § 267 Abs. 3 StPO für den Fall der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe ein besonderes Begründungserfordernis auf:

Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches.

So kann man aus einer Tuchel’schen-„Wutrede“ noch Nutzen für’s juristische Lernen ziehen :-).

2 comments

  1. Schön erörtert. In der Tat stellt die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe unter 6 Monaten nach § 47 Abs. 1 StGB in der Praxis wie vom Gesetzgeber gewollt eher die Ausnahme dar. Eine Geldstrafe ist in diesem Rahmen vorrangig und zwar selbst dann, wenn das Gesetz keine Geldstrafe im betreffenden Fall vorsieht (§ 47 Abs. 2 StGB). In der Regel ist nämlich eine kurze Freiheitsstrafe unter spezialpräventiven Gesichtspunkten eher verfehlt, denn der Täter könne aus seinen sozialen Verflechtungen gerissen, zudem wegen der kurzen Zeit nicht wirksam beeinflusst werden und in ein kriminogenes Umfeld geraten.

    Die kurze Freiheitsstrafe stellt eine ultima ratio dar und ist insbesondere bei beharrlichen Wiederholungstätern anzuwenden, weil der Täter mehrfach und zudem einschlägig vorbestraft ist und insgesamt ein hartnäckiges gemeinschädliches Verhalten vorliegt.

    Für einen erstmaligen Ladendiebstahl ohne einschlägige Vorstrafen würde jedoch kein deutsches Gericht eine kurze Freiheitsstrafe verhängen.

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