Anders/Gehle: Das Assessorexamen im Zivilrecht

Heute geht’s mal wieder um Print. Denn bei allen Vorzügen des Elektronischen ist es immer wieder nützlich, auch ein Buch als Begleiter an seiner Seite zu haben. Umso besser ist es, wenn das Buch um Online-Lerninhalte und Online-Aktualisierungen ergänzt wird. Das gehört bei Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht (13. Aufl. 2017) zum Konzept (vgl. zur Vorauflage folgende Materialien).

Also schien mir das Buch ein geeigneter Kandidat für einen Dauertest zu sein. Da kam es gelegen, dass ich mich im letzten Semester ausführlicher mit der Zivilprozessordnung zu beschäftigen hatte und mich im Übergang zum Referendariat befinde. Im Folgenden finden sich meine Beobachtungsergebnisse.

Um den Hauptkritik-Punkt vorwegzunehmen: Der Titel des Buches „Das Assessorexamen im Zivilrecht“ erweckt falsche Vorstellungen. In dem Buch wird nämlich das Zwangsvollstreckungsrecht nicht behandelt, das bekanntermaßen einen Teil des Assessorexamens darstellt. Insofern trifft es nicht zu, wenn in der Einleitung auf Seite 1 gesagt wird, dass „für alle Aufgaben im zivilrechtlichen Assessorexamen“ Anleitungen mit Formulierungshilfen zu finden seien. Die Verfasser selbst sind mit dem Titel des Buches nicht ganz zufrieden, weil sie ihn für „mittlerweile viel zu eng“ halten (S. V). Das ist unter dem von ihnen genannten Aspekt richtig: Das Buch ist in der Tat ein „Handbuch für die Bearbeitung eines Zivilrechtsfalles“, allerdings nicht „in allen Bereichen“ (S. V). Man sollte also für die 14. Auflage darüber nachdenken, den Titel und den Inhalt des Buches stärker aufeinander abzustimmen.

Der Hinweis auf die 14. Auflage zeigt bereits, dass ich das Buch, nachdem ich es einmal in seiner Eigenart als Handbuch wahrgenommen hatte, ansonsten als sehr nützlich empfunden habe. Dieser Eindruck beruht darauf, dass zusätzlich zu der handbuchartigen Darstellung der Thematik, die in einem gut lesbaren Stil geschrieben ist, zahlreiche Formulierungsbeispiele gegeben werden. Diese Beispiele veranschaulichen in concreto was zuvor jeweils allgemein entwickelt wurde und sind natürlich in Referendariat und Praxis von großem Wert. Wer sich mit dem Buch auf das 2. Examen vorbereitet, wird besonders die zahlreichen Examenstipps und -hinweise zu schätzen wissen, in denen sich die lange Prüfungserfahrung von Anders/Gehle niederschlägt.

Insgesamt entsteht beim Durcharbeiten des Buches ein anschauliches Bild des Zivilprozesses. Besonders zu begrüßen ist es dabei, dass Richtersicht und Anwaltssicht in den Blick genommen werden und auch die taktischen Überlegungen zur Sprache kommen, die der verantwortlich handelnde Anwalt anzustellen hat. 

Nach der Lektüre der Seiten 3-6 ist man von der Bedeutung der Relationsmethode überzeugt, deren wesentlicher Kern in dieser Kurzfassung verständlich wird (mit einem schönen Schaubild auf Seite 6). Allerdings rätselt man ein wenig über folgenden Satz aus der Einleitung:

Besondere Bedeutung haben die Grundzüge der Relationsmethode, die nur auf einigen Seiten dargestellt werden und ohne die ein zivilrechtlicher Fall in der Praxis und im Examen nicht sachgerecht zu lösen ist.

(S. 1)

Warum beschränkt sich die Darstellung „nur auf einige Seiten“, wenn die Relationsmethode die genannte „besondere Bedeutung“ hat? Damit wäre wieder ein Wunsch für die 14. Auflage formuliert.

Im Zeitalter des Übergangs zum elektronischen Rechtsverkehr ist ein Blick auf die dadurch erforderlich werdende Arbeitsweise zu begrüßen. Das Buch enthält auch dazu erfreulicherweise einen Hinweis in folgender Form:

Wer mit dem Computer arbeitet, erstellt am besten drei Fenster mit den Dateinamen >>Kläger<<, >>Beklagter<<, >>Prozessgeschichte<<. Auf diese Weise kann man zwischen den drei Teilen leicht wechseln und außerdem späteren Sachvortrag einer Partei zu einem bereits dargestellten Punkt sofort an dieser Stelle (ggf. mit Datum des Schriftsatzes) einfügen. Der Aktenauszug, der bei Einführung der elektronischen Akte komfortabel durch Anklicken der jeweiligen Passage erstellt werden kann, wird dadurch übersichtlicher.

Der Leser würde allerdings gerne erfahren, in welcher Software-Umgebung diese Möglichkeit zur Verfügung steht und wie man Zugang zu dieser Software-Umgebung erhalten kann.

Ein besonderes Charakteristikum des Buches ist darin zu sehen, dass Anders/Gehle in methodischer Hinsicht Wert auf die Systematik der Rechtsanwendung legen. Sie ziehen damit die Konsequenz aus ihrer langjährigen Erfahrung als Ausbilder, Prüfer und Richter, die darauf hindeutet, dass in der Ausbildung all zu oft zu Lasten der Systematik ein Schwerpunkt auf Einzelwissen gelegt wird (S. V).

Fazit: Ein Buch, auf das ich nach der erstmaligen Lektüre sicher noch oft als Nachschlagewerk zurückgreifen werde. Es handelt sich um eine verlässliche Orientierungshilfe im „Dschungel“ des zivilprozessrechtlichen Erkenntnisverfahrens. Dank der Kombination Print/Online-Ergänzungen ist Anders/Gehle ein stets aktueller Begleiter.

2 comments

  1. -thh sagt:

    „Der Leser würde allerdings gerne erfahren, in welcher Software-Umgebung diese Möglichkeit zur Verfügung steht und wie man Zugang zu dieser Software-Umgebung erhalten kann.>

    Die empfohlene Arbeitsweise (drei Dateien in drei Fenstern nebeneinander – oder drei Fenster nebeneinander mit dem jeweils passenden Ausschnitt derselben Datei) dürfte sich in jedem Editor und jeder Textverarbeitung umsetzen lassen, allerdings einen hinreichend großen Bildschirm (oder zwei Bildschirme) erfordern. Spezielle Software kann das unterstützen; so bietet der Haft’sche „Normfallmanager“ ein Relationsmodul, das speziell für diesen Zweck vorgesehen ist.

    Inwieweit Aktenauszüge sich durch bloßes Anklicken von Textpassagen erstellt werden kann, wird softwarespezifisch sein, wobei die in der Justiz verwendeten Softwareumgebungen aller Voraussicht nach nicht außerhalb dieser verfügbar sein werden.

    Eine „Anbindung“ von Textstellen an ein Strukturdokument mit wenigen Klicks (wenn auch nicht mit nur einem) bietet ebenfalls der Normfallmanager. Ob derselbe für private Nutzer noch erschwinglich ist – vor Jahren konnte man ihn für einen dreistelligen Betrag erwerben; danach wurde es meiner Erinnerung nach teurer, und mittlerweile gibt es Preise nur noch auf Anfrage -, weiß ich hingegen nicht.

    Ich vermute aber, dass die Autoren des Anders/Gehle nur ungern konkrete Softwarelösungen namentlich empfehlen würden.

    • klartext-jura sagt:

      Danke für diese umfangreiche und hilfreiche Erläuterung. Vielleicht können ja Anders/Gehle in der Online-Begleitung zum Buch etwas in dieser Art ergänzen. Da könnte man dann auch Software-Lösungen benennen.

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