Archiv für Allgemein

ChatGPT ante portas?

Fast ist man versucht zu sagen: Ein Gespenst geht um in der juristischen Zunft. Es trägt den Namen ChatGPT. Was traut man diesem System künstlicher Intelligenz nicht alles zu. Es soll in der Lage sein, Aufgaben für das Staatsexamen so zu lösen, dass man mit der Note „befriedigend“ bestehen kann. Es soll in der Lage sein, anwaltliche Schreiben zu verfassen, die den Mandanten über ein in seiner Sache ergangenes Urteil informieren. Es soll in Lage sein, juristische Hausarbeiten zu verfassen, die nicht mehr erkennen lassen, ob sie von einem Menschen oder einer KI verfasst worden seien. Kurzum: Der Turing-Test sei bestanden. Allerdings sind auch leichte Zeichen von Panik unverkennbar. Manche Berufsträger sehen in ChatGPT bereits einen Konkurrenten. Die Stimmungslage schwankt also zwischen Euphorie und Angst. Es fragt sich aber, ob wirklich Grund für derartige Emotionen besteht. Machen wir die Probe auf´s Exempel und betrachten – weil dies in einer Veranstaltung seitens der Studierenden angeregt wurde – die Bearbeitung eines simplen juristischen Falles.

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Telegramm, oder: Der nostalgische Gesetzgeber

Die nächste Bundestagswahl liegt noch etwas in der Zukunft. Wenn Sie denn bevorsteht, könnte man auf den Gedanken kommen, die Erteilung eines Wahlscheins zu beantragen. Wie dies zu geschehen hat, ist in § 27 Bundeswahlordnung (BWO) geregelt:

(1) Die Erteilung eines Wahlscheines kann schriftlich oder mündlich bei der Gemeindebehörde beantragt werden. Die Schriftform gilt auch durch Telegramm, Fernschreiben, Telefax, E-Mail oder durch sonstige dokumentierbare elektronische Übermittlung als gewahrt. Eine telefonische Antragstellung ist unzulässig. Ein Wahlberechtigter mit Behinderungen kann sich bei der Antragstellung der Hilfe einer anderen Person bedienen; § 57 gilt entsprechend. […]

Worüber könnte man hier bei der Lektüre von § 27 Abs. 1 BWO stolpern?

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Der Vogel Strauß, das römische Recht und die Analogie

Vogel-Strauß-bunt

Ausflüge ins römische Recht sind in aller Regel inspirierend, vor allem, wenn es um Fragen der Methodenlehre geht. In dieser Hinsicht bin ich kürzlich dem folgenden Beispiel begegnet, das ich hier teilen möchte.

Ulpian berichtet in Digesten 9.1.1 pr. über eine Regelung im Zwölf-Tafel-Gesetz. Diese Regelung sah folgendes vor: Wenn ein vierfüßiges Tier (quadrupes) einen Schaden verursacht hat, musste entweder das Tier, das den Schaden angerichtet hat, dem Geschädigten überlassen werden oder es musste Schadensersatz geleistet werden. Nun kam es aber, wie es irgendwann einmal kommen musste: Ein zweifüßiges Tier verursachte einen Schaden. Die Rechtshistoriker sind sich nicht ganz darüber einig, um welches Tier es sich dabei wohl gehandelt haben könnte. In Frage kommt der Vogel Strauß, der seinerzeit in Rom nicht nur bekannt, sondern auch präsent war. Wie ist nun diesbezüglich die Rechtslage nach römischem Recht zu beurteilen? Schließlich ist ein zweifüßiges Tier kein vierfüßiges Tier.

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Wer wird Millionär: „ius soli“ und „ius sanguinis“

Juristische Fragestellungen bei „Wer wird Millionär“ sind immer so eine Sache. Vor ein paar Wochen stand folgende Aufgabe zur Debatte: „Worum geht es bei ‚ius soli‘, dem ‚Recht des Bodens‘, und ‚ius sanguinis‘, dem ‚Recht des Blutes‘?“ Als Antwortmöglichkeiten waren vorgegeben:

A) Staatsbürgerschaft

B) Erbschaft

C) Notwehr

D) Einkommenssteuer

Was ist wohl die richtige Antwort?

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Weihnachtsbäume im Steuerrecht

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Steuerrecht und Weihnachtsbäumen? Die Antwort lautet „ja“, beispielsweise für den Fall, dass der Jemand Eigentümer eines Grundstücks mit Weihnachtsbäumen geworden ist, eben eines Weihnachtsbaumgrundstücks. Und was jetzt unter nicht speziell steuerrechtlichen Aspekten das Schöne ist: Die Lösung des vorzustellenden Falles führt in den Allgemeinen Teil des BGB, was den – oft anzutreffenden – Zusammenhang zwischen Zivilrecht und Steuerrecht veranschaulicht.

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