Archiv für Strafrecht

Plakatieren verboten -> strafbar?

Heute wird die Reihe „Jura im Alltag“ fortgesetzt. Es geht um nebenstehendes Hinweisschild. Wer hier ein Plakat aufhängt, muss mit einer Strafanzeige rechnen. Da drängt sich die Frage auf, welche Strafbarkeit in Betracht kommen könnte. Vielleicht eine Frage, die in einer mündlichen Prüfung auftauchen kann.

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BMW informiert über die Promillegrenze in Deutschland

Vor ein paar Tagen wurde mir gezeigt, dass man sich „von seinem Auto“ über die jeweils geltenden Promillegrenzen informieren lassen kann. So erschien in einem BMW folgende Meldung:

Ein guter Anlass, das Thema der Promillegrenzen aufzugreifen. Worauf stützt sich BMW mit der Angabe einer 0.5 Promillegrenze?

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Neun Jahre Freiheitsstrafe ohne Bewährung?

Im LTO-Newsletter vom 04.04.2023 war zu lesen:

Im November 2021 angekettet im Gleisbett, um gegen ein RWE-Braunkohlekraftwerk zu protestieren, nun angekettet an eine Freundin im Gerichtssaal – aus Protest. Das AG Grevenbroich kam zu dem Schluss, die angeklagte 24-jährige Person habe keine Einsicht gezeigt und verurteilte sie am Montag zu neun Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung.

Nutzen wir dieses Beispiel für eine „Plausibilitätslektüre“. Woran lässt sich festmachen, dass die Aussage zum Strafmaß so vermutlich nicht korrekt ist?

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Woran erinnert das Sicherheitsetikett?

Heute soll es wieder einmal um eine Jura im Alltag-Beobachtung gehen. Wenn man genau hinschaut, begegnet man nämlich im Alltag ständig juristischen Fragestellungen und kann so das juristische Lernen bequem in den Alltag integrieren. Als ich eine Gesichtsmaske ausgepackt habe, fiel mir dieses Sicherheitsetikett auf. Dieses erinnerte mich an einen Streitstand, den ich aus dem Strafrecht kenne. Worum könnte es gehen?

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Verlust des Gehörs i.S.v. § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Heute möchte ich die von Pocher erlittene Ohrfeige zum Anlass nehmen, einen Blick auf § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu werfen. Danach liegt eine schwere Körperverletzung vor, wenn die Körperverletzung zur Folge hat, dass die verletzte Person das Gehör verliert. Oliver Pocher äußerte sich bezüglich der Folgen der Ohrfeige wie folgt:

Mein Ohr ist auch ziemlich angeschlagen gewesen und wenn ich Pech habe, habe ich irreparable Schäden, die auch nicht wieder zurückgehen. Ich kann momentan gewisse Frequenzbereiche einfach nicht hören. Für so eine kleine Backpfeife, für was auch immer“, erzählt der Comedian seiner Community.

https://www.rtl.de/cms/nach-pocher-ohrfeige-das-droht-fat-comedy-jetzt-4944534.html

Das genügt nicht, um den Tatbestand von § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu realisieren, weil es sich nicht um einen vollständigen Verlust des Gehörs handelt. Aber wenn wir uns schon mit der Vorschrift beschäftigen, können wir noch ein wenig die systematische Auslegung trainieren. Schauen wir uns § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB einmal vollständig an:

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,

so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, wenn die verletzte Person das Gehör nur auf einem Ohr verliert? Anders als in der Variante des Sehvermögens (auf einem Auge oder beiden Auge) wird hier auf den Gehörsinn im Ganzen abgestellt. Der Gehörsverlust auf einem Ohr führt demnach nur dann zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands, wenn das andere Ohr schon vor der Körperverletzungstat funktionslos war. So die Beurteilung der Rechtslage de lega lata.

De lege ferenda gibt es Forderungen, den Gehörsverlust auf einem Ohr ausreichen zu lassen (vgl. z.B. BeckOK-StGB/Eschelbach, 52. Ed. 2022, § 226 StGB, Rn. 8).