Archiv für Strafrecht

Verlust des Gehörs i.S.v. § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Heute möchte ich die von Pocher erlittene Ohrfeige zum Anlass nehmen, einen Blick auf § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu werfen. Danach liegt eine schwere Körperverletzung vor, wenn die Körperverletzung zur Folge hat, dass die verletzte Person das Gehör verliert. Oliver Pocher äußerte sich bezüglich der Folgen der Ohrfeige wie folgt:

Mein Ohr ist auch ziemlich angeschlagen gewesen und wenn ich Pech habe, habe ich irreparable Schäden, die auch nicht wieder zurückgehen. Ich kann momentan gewisse Frequenzbereiche einfach nicht hören. Für so eine kleine Backpfeife, für was auch immer“, erzählt der Comedian seiner Community.

https://www.rtl.de/cms/nach-pocher-ohrfeige-das-droht-fat-comedy-jetzt-4944534.html

Das genügt nicht, um den Tatbestand von § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu realisieren, weil es sich nicht um einen vollständigen Verlust des Gehörs handelt. Aber wenn wir uns schon mit der Vorschrift beschäftigen, können wir noch ein wenig die systematische Auslegung trainieren. Schauen wir uns § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB einmal vollständig an:

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,

so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, wenn die verletzte Person das Gehör nur auf einem Ohr verliert? Anders als in der Variante des Sehvermögens (auf einem Auge oder beiden Auge) wird hier auf den Gehörsinn im Ganzen abgestellt. Der Gehörsverlust auf einem Ohr führt demnach nur dann zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands, wenn das andere Ohr schon vor der Körperverletzungstat funktionslos war. So die Beurteilung der Rechtslage de lega lata.

De lege ferenda gibt es Forderungen, den Gehörsverlust auf einem Ohr ausreichen zu lassen (vgl. z.B. BeckOK-StGB/Eschelbach, 52. Ed. 2022, § 226 StGB, Rn. 8).

Die Hand als gefährliches Werkzeug?

In letzter Zeit scheinen sich die Ohrfeigen-Fälle unter prominenter Beteiligung zu häufen. Anlass genug, klausurrelevante Fragen aus diesem Kontext zu analysieren. Beginnen wir mit folgender Problematik: Können für die Zufügung von Verletzungen verwendete Körperteile als gefährliches Werkzeug eingestuft werden?

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Fremde bewegliche Sache in § 303 Abs. 1 StGB?

Heute mal wieder ein Ausflug ins Strafrecht. Bei der Korrektur von Klausuren ist mir folgende Formulierung bei der Prüfung einer Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB aufgefallen:

A müsste eine fremde bewegliche Sache beschädigt haben.

Welche Frage stellt sich hier?

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Wein oder Wodka – das ist hier die Frage

Heute einmal ein Bericht aus der Korrekturpraxis. Eine Klausur widmete sich der Frage einer Strafbarkeit durch Verabreichen von Alkohol. Der Fall war inspiriert durch die BGH-Entscheidung vom 18. Februar 2021 (Aktenzeichen: 4 StR 473/20). Die wesentlichen Umstände des Sachverhalts stellten sich wie folgt dar:

Die Zeugin trank zunächst ein Glas oder eine Flasche Bier. Anschließend trank sie ein Glas Wein. Der Angekl. schenkte ihr immer wieder nach, wobei er ausnutzte, dass sie aufgrund des Spiels abgelenkt war oder zur Toilette gegangen war. Sie bekam aber auch mit, dass der Angekl. ihr nachschenkte. Schließlich entschied sich die Zeugin, auf weiteren Alkoholkonsum zu verzichten, und trank fortan nichtalkoholische Getränke, weil sie bemerkt hatte, dass sie durch den genossenen Alkohol angetrunken war. Der Angekl. erkannte, dass die Zeugin nunmehr nur noch nichtalkoholische Getränke zu sich nahm. In der Hoffnung, alsbald mit ihr allein sein zu können, schenkte er ihr – von ihr unbemerkt – mindestens einmal Wodka in ihr nichtalkoholisches Getränk, worauf sie dieses Mischgetränk zu sich nahm.

Die Zeugin musste sich am Ende zu Hause übergeben. Im Raum stand die Frage nach einer gefährlichen Körperverletzung.

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Welcher Strafrahmen in § 184b Abs. 1 StGB?

Die Bild-Zeitung schrieb vergangene Woche:

Das Amtsgericht Düsseldorf verurteilte den Ex-Fußball-Star, der schwersten sexuellen Missbrauch von Kindern als Fotos und Videos per WhatsApp verschickt hatte, zu zehn Monaten Gefängnis auf Bewährung. Die mögliche Höchststrafe: fünf Jahre Gefängnis!

Fünf Jahre Freiheitsstrafe? In einem RTL-Interview hörte man da etwas anderes:

RTL Reporter:

Christoph Metzelder kommt mit Bewährungsstrafe davon. Im Kinderpornographieprozess ist nun ein Urteil gefallen. Wir sprechen über den Fall mit Elisa Hoven, Professorin für Strafrecht an der Uni Leipzig. Hätte es im Fall Metzelder ein härteres Urteil geben können?

Elisa Hoven:

Ja man hätte selbstverständlich heute eine härtere Strafe aussprechen können. Der Strafrahmen sieht ja auch nach geltendem Recht vor, dass man bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe in solchen Fällen verhängen kann. Das heißt, es wäre natürlich möglich gewesen, härter zu urteilen. Die genauen Gründe des Gerichts für die Strafe, die es jetzt gefällt hat, wird man sich anschauen müssen.

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