Archiv für Mai 2022

Das Potential verbundener Verträge …

Heute wollen wir noch einmal einen Blick auf den Bericht in der Bild-Zeitung vom 05.05.2022 mit dem Titel „Krankenschwester ruiniert: So läuft das miese Geschäft mit den Teuer-Büchern“ werfen. Letzte Woche haben wir uns mit dem Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen befasst und gesehen, dass das Widerrufsrecht bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung nach zwölf Monaten und 14 Tagen endet (§ 356 Abs. 3 S. 2 BGB). Vielleicht existiert aber noch ein weiterer Anknüpfungspunkt für ein Widerrufsrecht. Denn so heißt es in dem Bericht der Bild-Zeitung:

„Mehr als die Hälfte der Kunden kauft kreditfinanziert, wobei immer wieder von den Kunden berichtet wird, dass die Verkäufer die Unterlagen für eine Kreditvermittlung mitbringen.“

Es könnte sich also um verbundene Verträge i.S.v. § 358 BGB handeln. Hat der Verbraucher seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, ist er auch nicht mehr an diejenige Willenserklärung gebunden, die auf den Abschluss eines mit diesem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware gerichtet ist (§ 358 Abs. 2 BGB). Und damit stellt sich die Frage, wie die Widerrufsfrist bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ausgestaltet ist.

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Absolute Fristen beim Widerruf?

Der Bericht in der Bild-Zeitung vom 05.05.2022 mit dem Titel „Krankenschwester ruiniert: So läuft das miese Geschäft mit den Teuer-Büchern“ wurde bereits letzte Woche mit Blick auf das Haustürwiderrufsgesetz betrachtet:

„Der Verkauf erfolgt immer im eigenen Haushalt der Betroffenen. Folglich ist das Haustürwiderrufsgesetz anwendbar. Die Widerrufsfrist beträgt allerdings nur zwei Wochen. Wenn Schneider die Fälle bekommt, ist die Frist häufig schon verstrichen.“

Heute soll es mit einem weiteren Zitat aus dem Zeitungsartikel weitergehen:

„Allerdings existiert noch eine weitere Frist, wenn nämlich der Kunde über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß vom Verkäufer belehrt wurde. Dann beträgt die Widerrufsfrist zwölf Monate. Bei einer durchaus beachtlichen Anzahl von Verkäufen ist die Widerrufsbelehrung mangelhaft, sodass noch ein Jahr lang der Kauf widerrufen werden kann.“

Was lässt sich dazu sagen?

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Haustürwiderrufsgesetz?

Mediale Berichterstattung lädt immer wieder dazu ein, über die juristischen Hintergründe nachzudenken. Aus eigener Erfahrung als Prüfling kann ich berichten, dass Prüferinnen und Prüfer so auch Fragen für mündliche Prüfungen entwickeln und dabei manchmal sogar auf die Bild-Zeitung zurückgreifen (vgl. dazu z.B. das Prüfungsgespräch „Marco Reus in meiner ersten juristischen Staatsprüfung„). Nun gibt es wieder einen prüfungsverdächtigen Bericht in der Bild-Zeitung. Dort heißt es am 05.05.2022 unter dem Titel Krankenschwester ruiniert: So läuft das miese Geschäft mit den Teuer-Büchern:

Welche Chancen haben Opfer?

Alles nicht ganz einfach. Schneider: „Auch wenn es um ein einfaches Rechtsgeschäft, den Kauf, geht, sind die Rückabwicklungsverfahren juristisch durchaus anspruchsvoll, also kein ‚Wald-und-Wiesen-Fall‘, was vor allem auch daran liegt, dass die Unternehmen gut aufgestellt sind.“

Dabei ist man als Käufer keineswegs chancenlos.

Schneiders Angriffspunkte:

▶︎ Der Verkauf erfolgt immer im eigenen Haushalt der Betroffenen. Folglich ist das Haustürwiderrufsgesetz anwendbar. Die Widerrufsfrist beträgt allerdings nur zwei Wochen. Wenn Schneider die Fälle bekommt, ist die Frist häufig schon verstrichen.

Worüber könnte man hier stolpern?

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Was bestätigt ein Notar mit einer Beglaubigung?

Vor einigen Wochen beschäftigte die Frage, ob Melanie Müller jemals verheiratet war, die bunten Blätter. So konnte man lesen:

Ehe nur Fake gewesen? Notar bestätigt, dass Melanie Müller nie verheiratet war

https://www.tz.de/stars/ehe-nur-fake-notar-bestaetigt-dass-melanie-mueller-nie-verheiratet-war-etv-rp9-91385750.html

Aber hat ein Notar tatsächlich bestätigt, dass Melanie Müller nie verheiratet war?

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Verlust des Gehörs i.S.v. § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Heute möchte ich die von Pocher erlittene Ohrfeige zum Anlass nehmen, einen Blick auf § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu werfen. Danach liegt eine schwere Körperverletzung vor, wenn die Körperverletzung zur Folge hat, dass die verletzte Person das Gehör verliert. Oliver Pocher äußerte sich bezüglich der Folgen der Ohrfeige wie folgt:

Mein Ohr ist auch ziemlich angeschlagen gewesen und wenn ich Pech habe, habe ich irreparable Schäden, die auch nicht wieder zurückgehen. Ich kann momentan gewisse Frequenzbereiche einfach nicht hören. Für so eine kleine Backpfeife, für was auch immer“, erzählt der Comedian seiner Community.

https://www.rtl.de/cms/nach-pocher-ohrfeige-das-droht-fat-comedy-jetzt-4944534.html

Das genügt nicht, um den Tatbestand von § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu realisieren, weil es sich nicht um einen vollständigen Verlust des Gehörs handelt. Aber wenn wir uns schon mit der Vorschrift beschäftigen, können wir noch ein wenig die systematische Auslegung trainieren. Schauen wir uns § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB einmal vollständig an:

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,

so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Ist § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, wenn die verletzte Person das Gehör nur auf einem Ohr verliert? Anders als in der Variante des Sehvermögens (auf einem Auge oder beiden Auge) wird hier auf den Gehörsinn im Ganzen abgestellt. Der Gehörsverlust auf einem Ohr führt demnach nur dann zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands, wenn das andere Ohr schon vor der Körperverletzungstat funktionslos war. So die Beurteilung der Rechtslage de lega lata.

De lege ferenda gibt es Forderungen, den Gehörsverlust auf einem Ohr ausreichen zu lassen (vgl. z.B. BeckOK-StGB/Eschelbach, 52. Ed. 2022, § 226 StGB, Rn. 8).