Archiv für Zivilrecht

Haftung bei Verkehrsunfällen

FahrradDass die Haftung bei Verkehrsunfällen ein klausurrelevantes Thema ist, zeigen vielfältige Aufsätze dazu. Heute möchte ich den Aufsatz von Philipp Schulz-Merkel und Dominik Meier in der JuS 2015, 201ff betrachten.

Auf Seite 202 stellen die Autoren dar, wie § 7 I StVG zu prüfen ist. Im Rahmen der Frage, wie das Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ auszulegen ist, schreiben sie:

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Begriff „bei dem Betrieb“ entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen.

Dann erläutern Schulz-Merkel/Meier, wie eine solche weite Auslegung auszusehen hat:

Die Haftung umfasst daher alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist. Ob ein Fahrzeug in Betrieb ist, bestimmt sich demnach nicht danach, ob die Motorkraft für den Schaden verantwortlich ist,(11) sondern danach, ob es sich im öffentlichen Verkehrsraum befindet und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet.(12)

In Fußnote 11 lesen wir ergänzend:

So die veraltete maschinentechnische Auffassung, vgl. Coester-Waltjen, Jura 2004, 173 (175).

Und in Fußnote 12 heißt es:

Sog. verkehrstechnische Auffassung, vgl. König in Hentschel/König/Dauer, StraßenverkehrsR, 42. Aufl. 2013, StVG § 7 Rn. 5.

Dass entscheidende Begriffe, die wir uns merken sollten, nur in Fußnoten erwähnt werden, ist etwas unpraktisch. Praktisch müssten wir bei einer solchen Arbeitsweise einen kurzen Blick in alle Fußnoten werfen, um zu prüfen, ob darin Probleme terminologisch bezeichnet werden. Auch spricht viel dafür, dass diese Begriffe „maschinentechnische Auffassung“ bzw „verkehrstechnische Auffassung“ schon deshalb in den eigentlichen Text gehören, weil sie immer wieder Prüfungsgegenstand sind (so zB Petersen, Die mündliche Prüfung im ersten juristischen Staatsexamen, 2012, S. 43). Aber nun zu dem eigentlichen Thema.

Schulz-Merkel/Meier behaupten, dass der BGH nicht mehr die „veraltete“ maschinentechnische Auffassung vertritt, sondern die verkehrstechnische Auffassung. Ist eine solch pauschale Aussage klausurtaktisch sinnvoll?

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Anwalt 1 tritt Forderung gegen Mandanten an Anwalt 2 ab

Betrachten wir folgendes Zitat aus Mehrings, Grundzüge des Wirtschaftsprivatrechts, 3. Auflage 2015, S. 63:

Die Abtretung von Forderungen (§ 398 BGB), die auf einer der Schweigepflicht unterliegenden Tätigkeit beruhen, ist nach § 134 BGB nichtig, wenn mit der Abtretung die Verletzung von Berufsgeheimnissen nach § 203 StGB (Strafgesetzbuch) verbunden ist. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein Steuerberater oder ein Rechtsanwalt Forderungen, die ihm gegen Mandanten zustehen, ohne deren Einverständnis an einen anderen abtritt. Denn mit der Abtretung verbunden ist die Mitteilung von geheim zu haltenden Daten über das der Forderung zugrunde liegende Mandat. Die Abtretung ist selbst dann nichtig, wenn der Abtretungsempfänger ebenfalls Rechtsanwalt oder Steuerberater ist und damit gleichfalls der Schweigepflicht unterliegt. Etwas anderes gilt, wenn der Rechtsanwalt(16), an den die Forderung abgetreten wird, den Sachverhalt aufgrund einer eigenen vorhergehenden Tätigkeit bereits umfassend kennt(17).

16: BGH NJW 1993, S. 1638, 1639

17: BGH NJW 2005, S. 507, 508; zur Abtretung an ein Factoringunternehmen BGH NJW 2015, S. 397, Rn. 5

In diesem Zitat gibt es zwei Aspekte, die verbesserungswürdig sind.

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Eine „Prise“ Europarecht in der BGB-Klausur, oder: Verbrauchsgüterkauf und Fristsetzung

Zwei-SeitenFranz Hofmann behandelt in der JA 2013, 16ff einen Fall, in dem ein Vater für seine beiden Zwillingstöchter je ein Pferd gekauft hat. Da der Käufer aus unterschiedlichen Gründen mit beiden Pferden unzufrieden ist, stellt sich im Fall die Frage, welche Ansprüche bei diesem Verbrauchsgüterkauf bestehen. Geprüft wird u.a. ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für eines der Pferde aus § 346 I iVm §§ 437 Nr.  2, 323 BGB.

Betrachten wir aus der Fall-Bearbeitung die folgende Passage:

Damit der Käufer vom Kaufvertrag nach § 323 I BGB zurücktreten kann, bedarf es grundsätzlich einer Fristsetzung zur Nacherfüllung. Eine solche hat B nicht gesetzt.

(JA 2013, 16 (18))

Aber bedarf es einer solchen Fristsetzung wirklich?

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§ 281 I 1 BGB: Fristsetzung – Ausnahme für Verbraucher?

Monika A. Kubela schreibt in der JA 2015, 729 (733):

V. Erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist

Es müsste eine angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen sein.

1. Aufforderung zur „unverzüglichen“ Nachlieferung

Ausweislich des Sachverhalts forderte K die unverzügliche nochmalige Lieferung einer von ihr bestellten Garnitur […]. Bei Verbraucherverträgen ist die Nennung eines konkreten Datums mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung als nicht erforderlich anzusehen. Zur Setzung einer Nachfrist genügt es, wenn diese „sofort“, „unverzüglich“, „umgehend“ uÄ gefordert wird. […]

Mensch

 

Wie ist die Formulierung „Bei Verbraucherverträgen ist die Nennung eines konkreten Datums mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung als nicht erforderlich anzusehen“ zu deuten? „Nur bei Verbraucherverträgen“ oder „Auch bei Verbraucherverträgen“?

 

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Unterschied zwischen „Vertretenmüssen“ und „Verschulden“

Heute betrachten wir eine Formulierung in der JuS 2012, 43 (46f) von Christoph H. Seibt und Simon Schwarz:

Ein Schadensersatzanspruch setzt ein Verschulden des Verkäufers voraus, dessen Vorliegen grundsätzlich vermutet wird, § 280 I 2.

In dem zitierten § 280 I BGB steht:

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

FischWir sehen: Seibt/Schwarz schreiben, dass ein Schadensersatzanspruch ein Verschulden des Verkäufers voraussetzt. In § 280 I 2 BGB ist aber von Vertretenmüssen die Rede. Können wir diese beiden Begriffe synonym verwenden oder gibt es einen Unterschied?

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