Archiv für Zivilrecht

Blue-pencil-Test

In der JuS 2015, 299ff schreiben Alexander Stöhr und Torben Illner über die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen. Dazu heißt es auf Seite 301:

Als weiterer „Rettungsanker“ kommt der sog. Blue-pencil-Test in Betracht.

Danach beschreiben die Autoren, was rechtlich unter diesem Blue-pencil-Test zu verstehen ist:

Hier wird geprüft, ob sich die Regelungen sowohl sprachlich als auch inhaltlich trennen lassen und der unwirksame Teil der Klausel derart aus dieser gestrichen werden kann, dass der verbleibende Teil für sich genommen sinnvoll und sprachlich verständlich ist.

Dann wird beschrieben, in welchen Fällen der Blue-pencil Test möglich/unmöglich ist:

Dies kommt häufig bei zweistufigen Ausschlussfristen in Betracht, da diese naturgemäß teilbar sind. Im Übrigen bleibt auch dieser Ausweg zumeist verschlossen, da in der Praxis selten auf eine sprachliche Trennbarkeit der verschiedenen Regelungen geachtet wird und hierzu nicht selten regelrechte Formulierungskünste erforderlich wären.

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Haftung = Haftung?

In der JA 2014, 819ff stellen Bertl und Lotte eine Hausarbeit mit dem Titel „Urlaub mit Hindernissen“ vor.

Im Sachverhalt, S. 820, heißt es:

Im Zeitpunkt der Buchung war V noch nicht als GmbH im Handelsregister eingetragen, jedoch war der Gesellschaftsvertrag bereits wirksam abgeschlossen. Inzwischen weist das Handelsregister aber V als GmbH aus.

Um den Fall weiter verfolgen zu können, sollten die verschiedenen Gründungsphasen auf dem Weg zur GmbH unterschieden werden. Dazu lesen wir bei Körber/Kliebisch in der JuS 2008, 1041 (1042):

[…]

(1) Vorgründungsgesellschaft bis zur notariellen Beurkundung,

(2) Vor-GmbH zwischen Beurkundung und Eintragung,

(3) „fertige” GmbH ab Eintragung […]

Auf Seite 820f prüfen Bertl/Lotte dann Ansprüche gegen V. Da heißt es:

Fraglich ist aber, ob V wirksam Vertragspartner geworden ist. […] V wandelt sich im Zeitpunkt des Abschluss des Gesellschaftsvertrags von einer Vorgründungsgesellschaft in eine Vor-GmbH, die als Vereinigung sui generis einzuordnen ist. Diese kann bereits Träger von Rechten und Pflichten sein. […] Nach heutiger Rspr. ist jedoch von der Identität zwischen GmbH und Vor-GmbH auszugehen. Die GmbH übernimmt daher alle Rechte und Pflichten der Vor-GmbH.

Wir halten also fest: Nach der zwischenzeitlich erfolgten Eintragung in das Handelsregister ist die GmbH entstanden und übernimmt alle Rechte und Pflichten der Vor-GmbH. Die Autoren prüfen also Ansprüche gegen die jetzt bestehende GmbH.

Auf Seite 825 wird der Frage nachgegangen, ob auch G, ein Gesellschafter der GmbH, in Anspruch genommen werden kann. Im Einleitungssatz steht:

Als Gesellschafter der V könnte G für diesen [richtig wohl: diese, M.H.] zu haften haben. Grundsätzlich haften Gesellschafter gemäß § 13 II GmbHG nicht mit ihrem Privatvermögen. Als Haftungsmasse steht den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung. Eine Ausnahme könnte jedoch für Verbindlichkeiten der Vor-GmbH gelten.

Die Autoren beschreiben also das Trennungsprinzip und gehen im Anschluss daran denkbare Ausnahmen durch (S. 825f):

I. Handelndenhaftung, § 11 II GmbHG

[…]

II. Persönliche Haftung der Gesellschafter

[…]

1. Keine persönliche Haftung

[…]

2. Unbeschränkte persönliche Außenhaftung

[…]

3. Anlehnung an Kommanditistenhaftung

[…]

4. Differenzhaftung

Dann wird die Differenzhaftung näher erläutert (S. 826):

Um Unbilligkeiten zu vermeiden, sei ein Haftungsgleichlauf vor und nach der Eintragung der GmbH unabdingbar. Diese spaltet sich in eine Verlustdeckungshaftung vor Eintragung der GmbH und eine Differenzhaftung nach Eintragung der GmbH auf. Mit der Eintragung erlischt also die Verlustdeckungshaftung und die Differenz- bzw. Vorbelastungshaftung entsteht.

Stachel-BlumeWir halten fest:

– Vor Eintragung der GmbH: Verlustdeckungshaftung

– Nach Eintragung der GmbH: Differenzhaftung/Vorbelastungshaftung

(Die Begriffe „Verlustdeckungshaftung“ und „Vorbelastungshaftung“ kann man schnell verwechseln. Ich merke mir das so: Die Begriffe sind in ihrer alphabetischen Reihenfolge vor/nach Eintragung der GmbH heranzuziehen.)

Jetzt wird die Differenzhaftung weiter charakterisiert:

Diese Haftung [Differenzhaftung, M.H.] ist jedoch als reine Innenhaftung ausgestaltet, sodass sich die Gläubiger ausschließlich an die GmbH wenden können. […] Der BGH lässt nur dann ausnahmsweise eine Durchgriffshaftung zu, falls die GmbH vermögenslos ist, eine Ein-Mann-GmbH vorliegt oder nur ein Gläubiger existiert.

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Das „neue“ Widerrufsrecht

Bereits am 18.02.2015 habe ich über das „neue“ Widerrufsrecht geschrieben. Es ist auf die seit dem 13.06.2014 geschlossenen Verträge anwendbar – also fast Zeit für eine Geburtstagsfeier. Die Gesetzessystematik hat sich grundlegend geändert. Förster hat die wesentlichen Änderungen in der JA 2014, 801 so zusammengefasst:

Auffällig ist insbesondere, dass das separat normierte Rückgaberecht des Verbrauchers entfallen ist (§ 356 BGB aF), die Rechtsfolgen des Widerrufs hingegen nunmehr eigenständig geregelt und nicht mehr durch Verweisung auf das allgemeine Rücktrittsrecht bestimmt werden (vgl. § 357 I BGB aF).

Ente

 

Heute habe ich mich dann mit einer Klausur von Alpmann Schmidt für das 2. Examen beschäftigt: Baumschulte ./. e-Handels GmbH u.a. (A 95 Lösung – Christoph Brede). Ich selbst befinde mich noch nicht in der Vorbereitung auf das 2. Staatsexamen und das Problem, das ich jetzt anspreche, stellt sich in Klausuren zum 1. und zum 2. Staatsexamen gleichermaßen, sodass alle daraus lernen können.

Schauen wir uns die entscheidenden Passagen an.

 

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Der Traum jedes Bürgen: Der Bürge hat Zahlungen auf die Bürgschaft erlangt …

In der JuS 2014, 745ff bespricht Thomas Riehm in einer lesenswerten Urteilsbesprechung eine interessante bereicherungsrechtliche Konstellation.

Im Sachverhalt heißt es:

Die Kl. hatte als Bauträgerin einen Generalunternehmer mit der Errichtung einer Wohnanlage für 18,4 Millionen Euro zzgl. MwSt. beauftragt. In dem von der Kl. vorformulierten Generalunternehmervertrag wurde der Generalunternehmer verpflichtet, eine Bürgschaft iHv 10 % der jeweiligen Auftragssumme eines Bauabschnitts „zur Sicherung sämtlicher Ansprüche aus diesem Vertrag“ zu stellen.

Der Ausgangspunkt stellt sich also wie folgt dar:

Die Klägerin ist Bauträgerin. Sie hat den Generalunternehmer beauftragt. Dabei wurde der Generalunternehmer verpflichtet, eine Bürgschaft zu stellen. Wie in allen in Klausuren zu prüfenden Fällen ergeben sich nun bei der Abwicklung Schwierigkeiten:

Es sind noch Bauleistungen im Wert von 2,7 Millionen Euro offen. Für diese hatte der Generalunternehmer der Kl. eine entsprechende Bürgschaft der im vorliegenden Rechtsstreit beklagten Bank ausgehändigt. Die Kl. verlangt von der Bank Zahlung von 10 % der offenen Bauleistungen, also 270.000 Euro.

Weil der Generalunternehmer nicht alle Bauleistungen erfüllt hat, möchte die Klägerin nun von der Bank Zahlung erlangen, da diese eine Bürgschaft für den Generalunternehmer gestellt hat.

Schauen wir uns die Konstellation zuerst in einem Schaubild an:

Riehm - JuS

 

 

 

 

 

 

 

 

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Abtretung des Auflassungsanspruchs: Formbedürftig?

Heute beschäftige ich mich damit, wie man in einer Klausur die Frage erörtern sollte, ob die Abtretung des Auflassungsanspruchs formbedürftig ist.

In der JuS 2015, 337 (340) schreibt Wolfgang Kaiser dazu:

V und Z haben sich gem. § 398 über die Abtretung der Forderung geeinigt. Der Abtretungsvertrag ist grundsätzlich formfrei; auch für die Abtretung eines Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks ist grundsätzlich keine besondere Form nötig.

Diese These, die nicht weiter begründet wird, belegt Kaiser dann wie folgt:

S. nur Palandt/Grüneberg (o. Fn. 1), § 398 Rn. 6.

Wir wissen nun, dass eine solche knappe Darstellung ausreichend wäre, wenn Kaiser unsere Klausur korrigiert. Wie sieht es aber bei anderen potentiellen Korrektoren aus?

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