Archiv für Zivilprozessrecht

Bestimmtheitsgrundsatz nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO beim Schmerzensgeld

Birgit Schneider schreibt in der Jura 2014, 323, 328:

Für die von der ZPO geforderte Bestimmtheit genügt es bei diesen [Schmerzensgeldansprüchen, M.H.] ausnahmsweise, wenn der Kläger die Berechnungs- bzw. Schätzungsgrundlagen umfassend darlegt und seine eigene Vorstellung durch Angabe einer Größenordnung oder eines Mindestbetrags eingegrenzt hat.

[….]

Spricht das Gericht dagegen weniger zu, als A [unser Kläger, M.H.] nach seiner Vorstellung für angemessen hält, ist er trotz dieses Unterliegens nicht nach § 92 I ZPO an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen, wenn die Teilabweisung Teil der Ermessensentscheidung des Gerichts ist.

Fassen wir zusammen: Wenn der Kläger im Rahmen seiner Schmerzensgeld-Klage seine eigene Vorstellung hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes durch Angabe einer Größenordnung oder durch Angabe eines Mindestbetrags eingrenzt, ist er an der Kostenentscheidung nicht zu beteiligen, wenn ihm im Rahmen der Ermessenentscheidung des Gerichts deutlich weniger zugesprochen wird.

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Prozesskostenhilfe beim Amtsgericht

Birgit Schneider schreibt in der Jura 2014, 323, 330 zum Thema „Prozesskostenhilfe“:

Gem. § 78 I ZPO müssen sich die Parteien bei einem Rechtsstreit vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Amtsgericht sind die Parteien selbst postulationsfähig, können somit alleine wirksam Prozesserklärungen abgeben (sogenannte „Naturpartei“). A kann die Klage deshalb selbst verfassen und beim Amtsgericht Mannheim einreichen.

Nur, weil vor den Amtsgerichten keine Anwaltspficht besteht, heißt das aber nicht, dass A sich nicht trotzdem durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen kann.

Ist ihm dies finanziell nicht möglich, kann er einen Prozesskostenhilfeantrag nach § 117 ZPO stellen. Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe übernimmt die Staatskasse die Gerichtskosten und die Kosten des Rechtsanwalts des Antragstellers.

Die Voraussetzungen für einen solchen Prozesskostenhilfe-Antrag seien:

Das Amtsgericht wird dem Antrag stattgeben und dem A einen Rechtsanwalt beiordnen, wenn A nach § 115 ZPO bedürftig ist, die beabsichtigte Klage Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist, § 114 ZPO.

Wird das Amtsgericht dem A tatsächlich einen Rechtsanwalt beiordnen, wenn

  • A nach § 115 ZPO bedürftig ist,
  • die beabsichtigte Klage Aussicht auf Erfolg hat
  • und nicht mutwillig ist, § 114 ZPO?

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Zur Abgrenzung von Primär- und Hilfsaufrechnung

Timm Nissen schreibt in der RÜ 2016, 57, 62:

Der Beklagte kann sich aber auch zunächst durch Bestreiten der anspruchsbegründenden Tatsachen und/oder die Geltendmachung sonstiger Einreden verteidigen und die Aufrechnung lediglich hilfsweise für den Fall erklären, dass die sonstige Verteidigung erfolglos bleibt. Bei einer solchen Hilfsaufrechnung (auch Eventualaufrechnung genannt) soll nach dem Willen des Beklagten über die Aufrechnung erst dann entschieden werden, wenn feststeht, dass die Klage ansonsten Erfolg hat. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn sich der Beklagte nicht ausschließlich mit der Aufrechnung verteidigt.

Eine Hilfsaufrechnung soll also dann vorliegen, wenn sich der Beklagte nicht ausschließlich mit der Aufrechnung verteidigt.

Liegt also eine Hilfsaufrechnung vor, wenn sich der Beklagte „primär“ mit Rechtsansichten und nur „hilfsweise“ mit einer Aufrechnung verteidigt? Hier muss man aufpassen, um nicht in eine Falle zu tappen.

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Bei Berufungsgericht zugelassener Rechtsanwalt?

Bei Ingwersen-Stück in Gerhold/Hoefer/Ingwersen-Stück/Schulz: Formulare für Referendare, 2. Aufl. 2016, S. 32, Anm. 71 lesen wir:

Die Berufungsschrift muss gemäß § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, enthalten, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Sie muss von einem bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. […]

Von einem bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt„? 

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Hauptantrag, Hilfsantrag – Klageabweisung im Übrigen …

Anders/Gehle, 13. Aufl. 2017, K. Rn. 10 schreiben:

Soweit der Hauptantrag, der Hilfsantrag oder ein unter mehreren vorrangiger Hilfsantrag erfolglos bleibt, muss die Klage selbstverständlich „im Übrigen“ abgewiesen werden. Wer diese Wendung, was häufig geschieht, im Tenor vergisst, begeht einen Fehler.

Hier kann man einen Fehler machen? Ein solcher Hinweis in Lehrbüchern erhöht natürlich immer die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser.

Mir scheint die Formulierung von Anders/Gehle jedoch zu kurz gegriffen. Vielmehr meine ich, dass die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten von Haupt- und Hilfsantrag betrachtet werden müssen, um feststellen zu können, ob die Notwendigkeit besteht, die Klage „im Übrigen“ abzuweisen.

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