Als 300. Beitrag wieder leichte Kost: Die „Dunstkreistheorie“

Wer hat noch nicht die folgende Situation erlebt?

Man sucht bei der Fall-Lösung nach einer einschlägigen Norm und findet auch eine scheinbar einschlägige. Aus verständlicher Entdecker-Freunde heraus wendet man dann diese Norm zur Lösung des Falles an.

Doch da droht Gefahr … .

Es kann nämlich sein, dass die zusätzliche Anwendung einer Norm im direkten Umfeld zu einer anderen Lösung führen würde. Diese Norm hat man aber wegen der durch die Entdecker-Freude bedingten Voreiligkeit übersehen.

Ein ganz simples klassisches Beispiel ist § 986 BGB, der mögliche Einwendungen des Besitzers nennt, die einem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB entgegengehalten werden können.

Um solchen Gefahrenlagen vorzubeugen, wurde die sog. „Dunstkreis-Theorie“ entwickelt, wobei übrigens einiges für einen Saarbrücker-Ursprung spricht:

Oft hilft jedoch schon die sogenannte „Dunstkreis-Theorie“ weiter: Man studiere aufmerksam die Rechtsregeln, die vor der fraglichen Norm im Gesetz stehen und auch die folgenden Paragraphen.

(Heike Jochum, Grundfragen des Steuerrechts: Eine verfassungsrechtliche und methodische Einführung für Lehre und Praxis, 2012, S. 60.)

Die Anwendung der Dunstkreis-Theorie wird ebenfalls von Repetitoren aus ihrer Erfahrung heraus empfohlen:

Erst im Anschluss [an die Erfassung des Sachverhalts, M.H.] kann die rechtliche Bearbeitung beginnen. Dabei ist es zunächst erforderlich,
dass Sie alle denkbaren Anspruchsgrundlagen heraussuchen, um diese anschließend gutachterlich (gedanklich) zu prüfen. Konsultieren Sie dabei das Gesetz – auch im Umfeld einer einschlägigen Norm (Dunstkreistheorie). Definieren Sie sauber (Kommentar, ÜK 7), subsumieren Sie anschließend.

(HEMMER-METHODE zu ÜK 1, Zivilprozessrecht im Überblick. Assessorkarteikarten, 2014)

Diesen Empfehlungen kann man sich nur anschließen.

Allerdings stellt sich die Frage, ob „Dunstkreis-Theorie“ eine gelungene Bezeichnung ist. Für die „Dunstkreis“-Metapher kann man das bejahen. Für „Theorie“ eher nicht. Denn eine Theorie ist im juristischen Kontext eine hypothetische Annahme über das Verständnis von Normen. Also sollte man wahrscheinlich besser von „Dunstkreis-Methode“ sprechen. Das hätte im Falle von Hemmer auch besser zur dort propagierten „Hemmer-Methode“ gepasst. Und so findet man hier im Blog nur die Terminologie „Dunstkreis-Methode“ (hier und hier) :-).

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