Archiv für Februar 2016

Die Beleidigungsdelikte tabellarisch dargestellt

Linderkamp/Kreke erläutern in der Jura info 4/2015, IV, dass Tabellen dabei helfen können, sich eine Übersicht zu schaffen. Das ist richtig. Diese Vorgehensweise sei besonders empfehlenswert, wenn „der Unterschied von Normen nur in Nuancen verborgen liegt“. Die beiden Autoren praktizieren diese Art der Systematisierung dann exemplarisch an der Abgrenzung zwischen Beleidigung (§ 185 StGB), Übler Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB):

§§185ff

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Man kann Zweifel haben, ob dies schon die denkbar beste Form der tabellarischen Darstellung ist. Aus der Tabelle ergibt sich beispielsweise nicht, wie die Üble Nachrede von der Verleumdung abgegrenzt wird, da identische Tabelleneinträge vorliegen. Auch ist die Zeile in Bezug auf die Beleidigung nicht sehr erhellend, enthält sie doch Elemente, die klar der Üblen Nachrede bzw der Verleumdung zuzuordnen sind. Eine bessere Übersicht vermittelt die Tabelle von Bernd Heinrich.

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Bereicherungsrechtliche Fallgruppen

Heute soll es um verschiedene bereicherungsrechtliche Konstellationen gehen. Dazu schauen wir uns den Aufsatz von Ronny Hauck in der JuS 2014, S. 1066ff an. Zunächst eine kleine Übersicht zu den Begrifflichkeiten, damit wir einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben:

Anweisung

 

Auf Seite 1070 wird erläutert, wie eine irrtümliche Doppelüberweisung bereicherungsrechtlich rückabgewickelt werden kann.

Obwohl die Sachverhalte ähnlich sind (auch die doppelte Überweisung ist im Ergebnis eine Zuvielüberweisung), geht der BGH in dieser Fallgruppe davon aus, dass sich die Bank als Kondiktionsgläubigerin nicht mit dem Anweisenden auseinanderzusetzen hat, sondern sich unmittelbar an den Zahlungsempfänger halten muss. Fallgruppe 4 ist daher eng verwandt mit Fallgruppe 1, wenn eine Anweisung also gänzlich fehlt.

In den Worten des BGH, Urteil vom 01.06.2010, XI ZR 389/09:

Eine Bank, die eine Anweisung versehentlich doppelt ausführt, erwirbt damit keinen Bereicherungsanspruch gegen den Anweisenden, sondern kann die irrtümliche Zuwendung nur von dem Anweisungsempfänger im Wege der Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) herausverlangen (im Anschluss und in Ergänzung zu BGHZ 176, 234).

Betrachten wir also Fallgruppe 1, um die von Hauck angesprochene Ähnlichkeit festzustellen. Diese betrifft die falsche Angabe der Kontodaten durch den Anweisenden. Dazu schreibt Hauck auf Seite 1067:

Folglich hat er [der Anweisende, M.H.] bei E [Zahlungsempfänger, M.H.] zu kondizieren, während die B-Bank aus dem Bereicherungsausgleich herausgehalten wird.

Wiederum in den Worten des BGH, Urteil vom 15.11.2005, XI ZR 265/04, Rn. 16:

Im vorliegenden Fall ist der Klägerin [Anweisende, M.H.] die Überweisung auf das ehemalige Konto der Insolvenzschuldnerin [Zahlungsempfänger, M.H.] als Leistung zuzurechnen. Sie hat in ihrem Überweisungsauftrag zwar die Z. GmbH als Empfängerin, zugleich aber zur Bezeichnung des Empfängerkontos die Nummer eines Kontos der Insolvenzschuldnerin angegeben.

Wo besteht jetzt die Ähnlichkeit zu Fallgruppe 4?

– Fallgruppe 4: Bank kondiziert vom Zahlungsempfänger.

– Fallgruppe 1: Anweisender kondiziert vom Zahlungsempfänger.

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Beteiligtenfähigkeit oder Beteiligungsfähigkeit?

Heute ein Blick in die Klausurenlösung C 314 aus dem Klausurenkurs von Alpmann Schmidt. Dort heißt es auf S. 4:

Die Beteiligtenfähigkeit des A als natürliche Person und der Stadt X als juristische Person ergibt sich jeweils aus § 61 Nr. 1 VwGO.

Von „Beteiligtenfähigkeit“ schreiben in diesem Zusammenhang viele: So zum Beispiel Beyerbach, JA 2014, 813 (816f), Ogorek, JuS 2009, 511 (516) und Rozek, JuS 2007, 601 (603f).

Anders formuliert Gröpl auf seiner Webseite:

Beteiligungsfähigkeit, § 61 VwGO

(So zum Beispiel auch Guckelberger, JuS 2007, 436 (437), Klement in Glaser/Klement, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2009, Fall 1 Rn. 39 und Rennert, JuS 2008, 119 (123))

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Auftraggeber oder Auftragnehmer?

Wenn ich einen Fall in der Ausbildungsliteratur lese, versuche ich immer zunächst, den Sachverhalt zu verstehen. Nur wenn mir dieser klar ist, kann ich über die Lösung nachdenken. In der JA 2014, 942 schildert Looschelders einen Sachverhalt, den ich zunächst nicht nachvollziehen konnte:

Die Klägerin beauftragte die Beklagte durch Generalunternehmervertrag (GU), einen gebrauchs- und schlüsselfertigen Bürohauskomplex zu errichten. Die Fassade war mit über 3.000 emaillierten, thermisch vorgespannten (dh nach einem besonderen Verfahren gehärteten) Glasscheiben zu verkleiden. In der Leistungsbeschreibung heißt es dazu, der Auftraggeber habe nachzuweisen, dass die zur Verwendung kommenden Glasscheiben keine zerstörenden Einschlüsse (zB Nickelsulfid) haben.

Wenn die Klägerin den Beklagten durch Generalunternehmervertrag beauftragt hat, dann ist die Klägerin Auftraggeber und der Beklagte Auftragnehmer. Doch warum schreibt man in eine Leistungsbeschreibung, dass der Auftraggeber nachzuweisen hat, dass die zur Verwendung kommenden Glasscheiben keine zerstörende Einschlüsse haben? Man könnte das für eine offensichtliche Unrichtigkeit halten. Aber völlig unmöglich ist eine solche Klausel auch wieder nicht. Schauen wir also genauer in die zugrunde liegende Entscheidung des BGH.

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Schmerzensgeld – Funktionen

In dem Buch „Basiswissen Jura für die mündlichen Prüfungen“ von Pötters/Werkmeister, 2014, lesen wir auf Seite 61:

Welchen Funktionen dient das Schmerzensgeld?

Dann folgt die Muster-Antwort:

Nach dem BGH soll das Schmerzensgeld i.S.d. § 253 Abs. 2 BGB dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat.

Dies wird dann im Schluss-Satz wie folgt zusammengefasst:

Aus diesem Grund verfolgt das Schmerzensgeld eine doppelte Zielsetzung, nämlich erstens die Ausgleichsfunktion und zweitens die Genugtuungsfunktion.

Ist das die ganze Wahrheit?

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