Ein Prosit der Verjährung

Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Scherz, den ich in einer Erstsemester-Vorlesung gehört habe. Der Professor fragte, warum Anwälte nicht entspannt den Silvester-Abend feiern können. Antwort: Wegen der drohenden Verjährung.

Es ist ja in der Tat so, dass zum Jahresende für zahlreiche Ansprüche die Verjährung eintritt. Das ist auch der Grund dafür, dass zum Jahresende hin die Frage der Verjährung als klassisches Jahresende-Thema medial immer wieder aufgegriffen wird. So konnte man beispielsweise in der Online-Ausgabe der „Welt“ lesen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ist diese Information richtig?

Die Antwort lautet: Nein. Denn keineswegs verjähren alle Forderungen nach drei Jahren. Doch wie kommt die „Welt“ auf diese Idee? Wohl durch die Lektüre von § 195 BGB:

Regelmäßige Verjährungsfrist

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Allerdings deutet schon das Wort „regelmäßig“ darauf hin, dass es Ausnahmen gibt. Solche Ausnahmen sind in den §§ 196 f. BGB zu finden. Es bestätigt sich die alte Regel, dass man immer noch Folgevorschriften zu der einmal gefundenen Vorschrift lesen soll (sog. „Dunstkreismethode“).

Zu Gunsten der „Welt“ könnte man annehmen, dass sie im weiteren Text der Nachricht die Sache noch auf die Reihe bringt. Denn dort heißt es:

Haben Sie auch mal einem Kumpel Geld geliehen, seit drei Jahren aber keinen Cent wiedergesehen? Oder warten Sie immer noch auf Lohn vom Chef, die Nebenkostenzahlung vom Mieter oder auf eine versprochene Rückerstattung vom Autohaus? Dann wird es jetzt höchste Zeit, sich zu kümmern. Forderungen aus 2013 laufen in der Regel zum 31. Dezember aus.

Die Worte „in der Regel“ entsprechen nun dem „regelmäßig“ in § 195 BGB. Allerdings ist es keine Wirkung der Verjährung, dass Forderungen „auslaufen“. Es ist vielmehr so, dass man solchen Ansprüchen, die weiter bestehen, nunmehr die Einrede der Verjährung entgegensetzen kann. Und wenn man Glück hat und auf den sprichwörtlichen ehrbaren Hamburger Kaufmann trifft, der die Einrede der Verjährung aus Überzeugung nicht erhebt, hat man überhaupt kein Problem mit der verjährten Forderung. 

Im Übrigen besteht unter den in § 215 BGB genannten Voraussetzungen die Möglichkeit der Aufrechnung trotz Verjährung.

Fazit: Trotz Verjährung ist nicht immer aller Tage Abend.

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