Battle of the Profs

Zunächst mein Dank für den Vorschlag, den ich für einen Blog-Beitrag erhalten habe. Der Vorschlag bezieht sich auf ein Interview, das Prof. Battis NTV gegeben hat. Dort sagt er:

Nun, es gilt und auch das ist auch Unionsrecht und nicht nur deutsches Verfassungsrecht, es gilt ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Und, wenn, genauso wie wenn jemand in einen Milchladen kommt und man sagt ihm, Du hast krause Haare, Dir verkaufe ich keine Milch, das wäre unzulässig.

Battis, NTV v. 29.12.2020, 13:06 Uhr, ab Minute 01:12,
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Staatsrechtler-Es-gilt-Diskriminierungsverbot-article22260351.html

Was könnte man dazu sagen?

Eine ganze Menge, denn es sind hochkomplexe Fragen angesprochen. Betrachten wir zunächst einmal nur die These, dass es nach Unionsrecht ein allgemeines Diskriminierungsverbot gäbe. Die Suche danach führt uns zu Art. 18 AEUV:

Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Regelungen für das Verbot solcher Diskriminierungen treffen.

Das in diesem Artikel enthaltene Verbot wird als „allgemeines Diskriminierungsverbot“ bezeichnet. Für den Fall des beabsichtigten Milchkaufs ist Art. 18 AEUV jedoch nichts zu entnehmen.

Aber es ist ja stets ein guter Rat, sich nicht mit einer gefundenen Norm zu begnügen, sondern weiterzulesen. Das führt uns zu Art. 19 Abs. 1 AEUV:

Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen der Verträge kann der Rat im Rahmen der durch die Verträge auf die Union übertragenen Zuständigkeiten gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.

Auf diesen Artikel stützen sich verschiedene Richtlinien, die in Deutschland im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgesetzt wurden. Damit sind wir dann beim Thema Diskriminierungsverbot im deutschen Recht angekommen, und zwar in § 19 Abs. 1 AGG:

Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die

1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder

2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,

ist unzulässig.

Die Frage lautet nun also: Ist es eine unzulässige Benachteiligung nach § 19 Abs. 1 AGG, wenn im Milchladen ein potentieller Kunde mit der Begründung „Du hast krause Haare, Dir verkaufe ich keine Milch“ abgewiesen wird (so ja das Fallbeispiel von Professor Battis)?

Anderer Ansicht als Battis ist jedenfalls Professor Augsberg für einen vergleichbaren Fall in seinem LTO-Interview:

Der Inhaber einer Diskothek kann einem Gast beispielsweise den Zugang verwehren, nur weil ihm dessen Nase oder Outfit nicht gefällt, oder wenn eine Gruppe von Teenagern eine Ü-30-Party besuchen will.

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/corona-privilegien-sonderrechte-impfung-indirekte-impfflicht-verfassungsrecht-ungleichbehandlung-sachlicher-grund-regelbefolgungsargument/

Daher die Überschrift „Battle of the Profs“.

P.S. Zum Milchladen bei Battis noch ein Nachtrag. Den „klassischen“ Milchladen gibt es nicht mehr. Wer aber einen in musealer Form besichtigen will, kann dies in Mettlach tun.

2 comments

  1. Könnte man sich hier nicht auf eine vermittelnde Ansicht zurückziehen?

    Einerseits ist das Kriterium „krause Haare“ alleine wohl nicht unter § 19 I AGG zu subsumieren. Hier müssten wohl weitere Unterscheidungskriterien hinzutreten, um eine Diskriminierung im Sinne des Abs. 1 bejahen zu können. Andererseits erscheint die Aussage von Professor Augsberg für eine Beurteilung zu pauschal; denn warum dem Inhaber der Diskothek „die Nase“ nicht passt, könnte durchaus eine Diskriminierung im Sinne des § 19 Abs. 1 AGG bedeuten.

    Den sich „battlenden Profs“ könnte also entgegnet werden: Es kommt darauf an.

    • klartext-jura sagt:

      Danke! Und: Ja, es kommt darauf an. Wenn man noch eine juristische Regel hinzufügen will: Es sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Sowohl bei „krauses Haar“ als auch bei „Nase passt nicht“ wären Umstände denkbar, die an ein unzulässiges Merkmal i.S.d. AGG anknüpfen.

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