Lippross/Bittmann, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl. 2017, Rn. 689 schreiben:
Bei Prozessvergleichen ergibt sich die Zuständigkeit [für die Vollstreckungsgegenklage, M.H.] nicht aus der Sonderregel des § 797 V. Vielmehr ist in einschränkender Auslegung dieser Vorschrift für die Vollstreckungsgegenklage das Gericht zuständig, bei dem der durch Vergleich erledigte Rechtsstreit in erster Instanz anhängig war (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann § 767 Rn. 51; Brox/Walker ZVR Rn. 1331; Schuschke/Walker/Raebel ZPO § 767 Rn. 14, str.).
An dem Zusatz „str.“ kann man – etwas versteckt – erkennen, dass es sich um eine Frage handelt, die umstritten ist. Doch welche Ansichten gibt es zu dem Thema? Wie wird das zuständige Gericht für eine Vollstreckungsgegenklage gegen einen Prozessvergleich bestimmt?
Lippross/Bittmann sind ja der Auffassung, dass § 797 V ZPO einschränkend ausgelegt werden muss. Werfen wir einen Blick in die Norm:
Für Klagen auf Erteilung der Vollstreckungsklausel sowie für Klagen, durch welche die den Anspruch selbst betreffenden Einwendungen geltend gemacht werden oder der bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommene Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel bestritten wird, ist das Gericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und sonst das Gericht zuständig, bei dem nach § 23 gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann.
§ 797 V ZPO bezieht sich – wie der amtlichen Überschrift entnommen werden kann – auf das Verfahren bei vollstreckbaren Urkunden. Lippross/Bittmann wollen § 797 V ZPO einschränkend auslegen und kommen so zu dem Ergebnis, dass für eine Vollstreckungsgegenklage gegen einen Prozessvergleich das Gericht zuständig sei, bei dem der durch Vergleich erledigte Rechtsstreit in erster Instanz anhängig war.
Doch bedarf es dieser Konstruktion (einschränkende Auslegung von § 797 V ZPO) tatsächlich?
Schon die erste von Lippross und Bittmann herangezogene Belegstelle weckt Zweifel:
Richtet sich die Klage gegen einen Prozessvergleich, so bleibt es bei Abs. 1 [§ 767 Abs. 1 ZPO, M.H.]. Zuständig ist auch hier wieder das Gericht, bei dem der Rechtsstreit im ersten Rechtszug anhängig war. Keineswegs kann § 797 Abs. 5 analog angewandt werden.
(MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 767 Rn. 52)
Schmidt/Brinkmann gehen also nicht von einer einschränkenden Auslegung von § 797 V ZPO aus. Vielmehr ziehen sie unmittelbar § 767 Abs. 1 ZPO heran. Die Norm besagt:
Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
Auch Lackmann ist der Auffassung, dass § 797 V ZPO auf Prozessvergleiche keine Anwendung findet:
§ 797 Abs. 5 ist auf Prozessvergleiche nicht anwendbar.
(Musielak/Voit/Lackmann, 17. Aufl. 2070, ZPO § 767 Rn. 17)
Ergänzend kann ich noch meine Klausur-Erfahrung ins Feld führen: Man sollte, wenn eine Vollstreckungsgegenklage gegen einen Prozessvergleich im Raum steht, im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung auf § 767 Abs. 1 ZPO Bezug nehmen. Meine Erwägungen rund um § 797 Abs. 5 ZPO überzeugten den Korrektor jedenfalls nicht (wahrscheinlich weil er nicht wusste, dass Lippross/Bittmann die oben genannte Auffassung vertreten oder weil er den Grundsatz „in der Literatur Vertretenes ist vertretbar“ nicht gelten lassen wollte).
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