Die Geschichte vom Robo Judge in Estland

2019 erschien in wired ein Artikel mit der Überschrift „Can AI Be a Fair Judge in Court? Estonia Thinks So„. Es wurde dann ausgeführt:

In the most ambitious project to date, the Estonian Ministry of Justice has asked Velsberg and his team to design a “robot judge” that could adjudicate small claims disputes of less than €7,000 (about $8,000). Officials hope the system can clear a backlog of cases for judges and court clerks.

www.wired.com/story/can-ai-be-fair-judge-court-estonia-thinks-so

Diese Berichterstattung fand schnell große Aufmerksamkeit. In Deutschland wurde sie u.a. vom Deutschlandfunk unter dem Sendungstitel „KI-Richter in Estland fällt Urteile per Algorithmus“ aufgegriffen. Mit Bezug darauf hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten mit dem Titel „Künstliche Intelligenz in der Justiz: Internationaler Überblick“ auf die Entwicklung in Estland Bezug genommen. Es heißt dort:

In einem Pilotprojekt soll in Estland ein KI-basiertes Programm autonom über zivilrechtliche Vertragsstreitigkeiten mit einem Streitwert von unter 7 000 Euro entscheiden und dadurch die Justiz entlasten. Dabei werden die relevanten Dokumente von den Parteien hochgeladen, und die KI entscheidet anhand der vorliegenden Informationen. Diese Entscheidungen können jedoch vor einem Richter angefochten werden.

https://www.bundestag.de/resource/blob/832204/6813d064fab52e9b6d54cbbf5319cea3/WD-7-017-21-pdf-data.pdf

Gibt es nun den Robo Judge in Estland?

Da Estland im Bereich des IT-Einsatzes im öffentlichen Leben und auch in der Justiz eine Vorreiterrolle einnimmt, könnte man geneigt sein, der Berichterstattung zu glauben, dies vor allen Dingen auch deswegen, weil der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages diese Information propagiert. Erste Zweifel werden wach, wenn man sieht, dass die Berichterstattung im Deutschlandfunk die einzige Belegquelle ist. Und in der Tat: Den Robo Judge gibt es in Estland nicht. Eine Auskunft des estnischen Justizministeriums besagt, dass es ein solches Projekt nicht gegeben hat und dass auch nicht beabsichtigt sei, einen solchen KI-Einsatz in der Justiz vorzusehen.

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