Europäischer Gerichtshof in Straßburg?

Heute soll es um ein Thema gehen, das immer wieder in mündlichen Prüfungen eine Rolle spielen kann, und sei es auch nur beim einleitenden Small Talk. Betrachten wir die gedruckte Ausgabe der FAZ vom Donnerstag, den 3. Dezember 2015 (Nr. 281) auf Seite 12. Dort schreibt Jan Wiele:

Ein Urteil, das alle trifft

Ausschüttungsrechte: Verleger hadern mit der Straßburger Entscheidung

Für Autoren klingt das erst mal gut. Schriftsteller oder auch Journalisten – alle jedenfalls, die in einem Verlag etwas veröffentlicht haben – könnten demnächst doppelte Einnahmen erhalten bei der gesetzlichen Vergütung für private Kopien. Denn das Urteil im „Reprobel-Verfahren“ vor dem Europäischen Gerichtshof (F.A.Z. vom 14. November) hat zur Folge, dass in Deutschland diese Einnahmen nicht, wie bislang, hälftig zwischen Verlegern und Autoren geteilt werden, sondern ganz an die Autoren gehen sollen.

Was fällt an diesem Zitat auf?

Weiterlesen

Anhörung vor Erlass der Anordnung der sofortigen Vollziehung?

In der RÜ 2/2015 zitiert Wüstenbecker auf Seite 123 das VG Berlin wie folgt:

VG Berlin: „[11] … Eine gesonderte Anhörung der Antragstellerin vor Erlass der Anordnung der sofortigen Vollziehung war entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht erforderlich. Gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG ist (lediglich) vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Da es sich bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach ganz herrschender Meinung nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG handelt (…), besteht die Anhörungspflicht nach § 28 Abs. 1 VwVfG nicht.

Dazu schreibt er:

Das Anhörungsproblem taucht nicht nur in Klausuren, sondern auch in der Praxis immer wieder auf.

(aA Gersdorf, BeckOK, VwGO, § 80 VwGO Rn. 83, der dem Streit in der Praxis keine besonders große Bedeutung beimisst.)

Für uns kann die Frage der Praxisrelevanz dahin stehen, weil wir uns jedenfalls in einer Klausur zu der Problematik äußern müssen.)

Problematisch ist die präsentierte Lösung für Klausuren insofern, als sie die Gefahr mit sich bringt, Punkte zu verschenken.

Weiterlesen

Was ist der Ursprung der Regel des § 474 Abs. 2 S. 1 BGB?

Diese Frage stellen uns Pötters/Werkmeister in dem Buch „Basiswissen Jura für die mündlichen Prüfungen“, 4. Auflage 2015 auf Seite 60.

Also schauen wir uns § 474 II 1 BGB an:

Für den Verbrauchsgüterkauf gelten ergänzend die folgenden Vorschriften dieses Untertitels.

Doch ist wirklich diese Vorschrift gemeint?

Weiterlesen

Konkurrenzen im Strafrecht: Der Semikolon-Code

Heute soll es um ein Zitat-Detail in Bezug auf die Konkurrenzen im Strafrecht gehen. An sich handelt es sich nur um eine Kleinigkeit. Sie zu kennen kann aber von Vorteil sein. Winkler formuliert das Ergebnis der Strafbarkeitsprüfung in der RÜ 2015, 165 (167) wie folgt:

A ist strafbar wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Nötigung in Tateinheit, §§ 212, 22; § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5; § 240; § 52 StGB.

Was fällt bei dem Schluss-Satz auf? A ist strafbar wegen verschiedener Delikte in Tateinheit gemäß § 52 StGB. Die einzelnen Delikte werden von Winkler dann jeweils durch ein Semikolon getrennt. Wären damit alle Korrektoren einverstanden?

Weiterlesen

§ 78 VwGO: Wo kommt der Klagegegner in die Prüfung?

Mit § 78 VwGO hat man als Studierender so seine Schwierigkeiten in Klausuren. Jochen Rozek, JuS 2007, 601 schreibt dazu:

Bei der Untersuchung der Erfolgsaussichten einer verwaltungsgerichtlichen Klage besteht unter Studenten in der Fallbearbeitung immer wieder Unsicherheit darüber, an welcher Stelle des Klausuraufbaus auf den richtigen Klagegegner einzugehen ist. Dies ist angesichts divergierender Empfehlungen in der Ausbildungsliteratur nicht ganz unverständlich. Im Anwendungsbereich des § 78 VwGO spielt die umstrittene Frage eine zentrale Rolle, ob § 78 VwGO als eine Regelung der passiven Prozessführungsbefugnis (Zulässigkeitsaspekt) oder der Passivlegitimation (Begründetheitselement) zu verstehen ist.

Über diese Grundsatzdiskussion möchte ich heute aber nicht schreiben, denn letztlich scheinen hier örtliche Bräuche die jeweilige Behandlung nahe zu legen. Wenn man – wie im Saarland üblich – den Klagegegner im Rahmen der Zulässigkeit prüft, sollte man aber darauf achten, dass ein logischer Fehler vermieden wird.

Betrachten wir dazu die Fall-Lösung von Bernd J. Hartmann und Michael Sendt in der JuS 2012, 917 (919f):

V. Beteiligungs- und Prozessfähigkeit

N ist als Kl., S. als Bekl. gem. § 63 Nr. 1 bzw. 2 VwGO beteiligt. N ist als natürliche Person gem. § 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO beteiligten- und gem. § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig, S. als juristische Person des öffentlichen Rechts gem. § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligten- und als Vereinigung gem. § 62 III VwGO prozessfähig. Sie wird gem. § 42 I 2 BadWürttGemO durch den Oberbürgermeister (vgl. § 42 IV BadWürttGemO) der Großen Kreisstadt S. vertreten.

Erst nach der Prüfung der Beteiligungs- und Prozessfähigkeit widmen sich die Autoren dem Klagegegner:

VI. Klagegegner

Mangels einschlägigen Landesrechts i. S. von § 78 I Nr. 2 VwGO muss N nach Nr. 1 dieser Vorschrift jene Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen VA erlassen hat, verklagen. Die Baugenehmigung des B hat der Oberbürgermeister erteilt. Als Rechtsträgerin ist S. also die richtige Klagegegnerin.

Was spricht gegen diesen Prüfungsaufbau?

Weiterlesen