Probleme bei/mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage

Für diesen Text bitte ich um etwas Geduld bei der Lektüre, aus der man hoffentlich in Examensnähe Honig saugen kann. Die Länge erklärt sich auch daraus, dass der betroffene Artikel viele Anknüpfungspunkte für Diskussionen enthält und so gewissermaßen zu Fortsetzungsfeststellungen einlädt. Eine Aufspaltung in mehrere Beiträge halte ich vorliegend nicht für zielführend, weil die einzelnen Problemstellungen auch in Examensklausuren auf einmal auftreten, sodass eine getrennte Betrachtungsweise meiner Meinung nach nicht angezeigt scheint.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist immer wieder ein Klausurklassiker und wird daher  in regelmäßigen Abständen in der JuS behandelt. Auch eine Klausur in der saarländischen staatlichen Pflichfachprüfung vom August diesen Jahres war auf dieses Thema zugeschnitten.

In der JuS 11/2014 beschäftigen sich die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Michael Riegner und Jasmin Schnitzer auf den Seiten 1003ff mit einer einschlägigen Problemkonstellation.

Zunächst wird der Frage nachgegangen, was die statthafte Klageart ist, wenn sich ein Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt hat. Dazu heißt es auf Seite 1005:

Gemäß § 113 I 4 VwGO ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, wenn sich der VA nach Klageerhebung erledigt hat. Die Erledigung trat allerdings vor Klageerhebung ein, so dass allenfalls eine analoge Anwendung von § 113 I 4 VwGO denkbar ist. Die dafür erforderliche Regelungslücke könnte fehlen, wenn die allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 VwGO einschlägig ist. Gegen die Geltung der Feststellungklage für die Erledigung des VA vor Klageerhebung spricht jedoch, dass die Anfechtungs- und die Fortsetzungsfeststellungklage strengeren Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegen, die durch die Feststellungsklage umgangen würden. Es widerspräche dem Rechtsschutzgedanken des Art. 19 IV GG, wenn der zufällige Zeitpunkt der Erledigung unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen bedingen würde. Folglich besteht eine Regelungslücke, so dass die Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 I 4 VwGO statthaft ist.

Es wird also geprüft, ob § 113 I 4 VwGO bei der Erledigung eines Verwaltungsaktes vor Klageerhebung analog angewendet werden kann. Abhängig gemacht wird das in dem Zitat nur vom Vorhandensein einer Regelungslücke. Eine Analogie setzt aber mehr als nur eine Regelungslücke voraus.

Die Regelungslücke muss zusätzlich planwidrig sein. Weiterhin ist eine vergleichbare Interessenlage zwischen geregeltem Fall und nicht geregeltem Fall erforderlich.

Deshalb sollte man sich besser an dem Aufbau von Hartmann/Zanger in der JuS 2014, 829ff orientieren. Die beiden Autoren schreiben dort auf Seite 830:

Bei der Untersagung der Veranstaltung handelt es sich um einen VA, vgl. § 35 S. 1 NRWVwVfG. Grundsätzlich wäre somit eine Anfechtungsklage gem. § 42 I Var. 1 VwGO statthaft. Allerdings hat sich der VA mit Ablauf des Veranstaltungstags bereits erledigt (Erledigung durch Zeitablauf, § 43 II NRWVwVfG). In Betracht kommt somit eine Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 I 4 VwGO. Direkt hat § 113 I 4 VwGO nur die Erledigung eines VA nach Klageerhebung zum Gegenstand. Die Erledigung trat jedoch bereits vor Klageerhebung ein. In Betracht kommt eine analoge Anwendung der Vorschrift. Voraussetzung dafür ist eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage.

Zurück zu Riegner/Schnitzer. Auf Seite 1005 wird das „besondere Feststellungsinteresse“ untersucht. Dazu heißt es:

Dieses ist möglich, wenn eine Wiederholungsgefahr besteht, die betroffene Person ein Rehabilitationsinteresse hat, dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine präjudizielle Wirkung zukommt oder Gegenstand tiefgreifende oder sich typischerweise schnell erledigende Grundrechtseingriffe sind.

Es geht in dem Fall um die Erledigung eines Verwaltungsakts vor Klageerhebung. Das Präjudiz-Interesse ist zumindest nach der herrschenden Meinung nur bei der Erledigung eines Verwaltungsakts nach Klageerhebung anerkannt. Dazu schreibt Decker im BeckOK/VwGO, 01.07.2014, § 113 Rn. 93:

Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage mit der Besonderheit, dass, wenn sich der Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt hat, ein Feststellungsinteresse in Form eines beabsichtigten Amtshaftungsprozesses nicht geltend gemacht werden kann (siehe BVerwG Buchholz 310, § 113 VwGO Nr 202; BVerwG v 26.7.1996 – 1 B 121/96 unter ausdrücklicher Bestätigung der Entscheidung in Buchholz 310 § 113 VwGO Nr 202; VGH München NVwZ-RR 1997, 23; OVG Saarlouis NVwZ-RR 1993, 45; VGH Kassel v 27.6.1989 – 2 UE 531/89). Der Kläger ist dann vielmehr gezwungen, unmittelbar die Zivilgerichte anzurufen, gewährt doch Art 19 Abs 4 GG keinen Anspruch auf das sachnähere Gericht. Auch wäre eine zusätzliche Befassung der Verwaltungsgerichte prozessunökonomisch (BVerwG BayVBl 1989, 441; VGH Mannheim VBlBW 1991, 148).

Leider kann hier nicht wie oben auf Hartmann/Zanger als Vorbild verwiesen werden. Sie schreiben nämlich auf Seite 831:

Nach § 113 I 4 VwGO muss der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit trotz Wegfalls der Beschwer haben. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse wird üblicherweise bei Wiederholungsgefahr, Präjudiz- sowie Rehabilitationsinteresse angenommen.

Hier fehlt die Fallgruppe der tiefgreifenden, sich typischerweise schnell erledigenden Grundrechtseingriffe. Zudem wird das Präjudizinteresse genannt, obwohl auch diese Fall-Lösung von einem Verwaltungsakt handelt, der sich vor Klageerhebung erledigt hat.

Auf Seite 1006 gehen Riegner/Schnitzer dann auf das Problem einer fehlenden Anhörung bei einem erledigten Verwaltungsakt ein. Dazu schreiben sie:

Eine ggf. erforderliche Anhörung nach § 28 I VwVfG könnte in der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden, § 45 I Nr. 3, II VwVfG.

Zu dieser These verweisen sie auf Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 101 f.:

III. Zeitliche Schranke der Heilungsmöglichkeit (Abs. 2)
1. Allgemeines
a) Zur Gesetzesentwicklung

Dort wird aber das Problem der Nachholung einer Anhörung bei erledigten Verwaltungsakten nicht behandelt.

Was die von den Autoren bejahte Nachholungsmöglichkeit angeht, ist überzeugend nur die gegenteilige These von Guckelberger, JuS 2011, 577 (580):

Folgt man diesem Standpunkt, ist zu klären, ob die Verwaltung während einer laufenden Fortsetzungsfeststellungsklage den ihr unterlaufenen Anhörungsfehler heilen kann, indem sie dem Adressaten des VA nachträglich Gelegenheit gibt, sich dazu zu äußern. Auf den ersten Blick scheint alles für eine solche Heilungsmöglichkeit zu sprechen, denn nach § 45 II VwVfG kann die Verwaltung Verfahrensfehler noch während eines laufenden Verwaltungsprozesses heilen. Richtigerweise ist jedoch eine Nachholung der Anhörung nach dem Zeitpunkt der Erledigung eines VA abzulehnen. Bei einem erledigten VA können die mit einer (nachträglichen) Anhörung verfolgten Zwecke nicht mehr erreicht werden. Da der zur Debatte stehende VA unwirksam ist, kann die Behörde nicht mehr auf den Inhalt ihrer ursprünglichen Entscheidung Einfluss nehmen. Bei einer „abgelaufenen” Wohnungsverweisung ergibt es keinen Sinn mehr, unter Berücksichtigung des Vorbringens des Betroffenen z.B. die Anordnung in zeitlicher Hinsicht zu verkürzen. Insoweit fehlt es an der für die Nachholung der Anhörung notwendigen heilungsoffenen Situation.

Also kann die Anhörung nach § 28 I VwVfG nicht in der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden, § 45 I Nr. 3, II VwVfG. Zumindest hätte man den Streit andeuten sollen, denn er kann eine hohe Klausurrelevanz haben.

Auf Seite 1007 beschäftigen sich die Autoren schließlich mit der Frage, ob Art. 3 III GG ein absolutes Anknüpfungsverbot statuiert.

Jedoch ist dies nur relevant, wenn das spezifische Differenzierungsverbot bzgl. der Rasse einer Rechtfertigung überhaupt zugänglich ist. Gegen eine rechtfertigende Abwägung spricht, dass Art. 3 III GG das unveränderliche Merkmal „Rasse“ als Anknüpfungsmerkmal für Rechtsfolgen vollkommen ausschließen will und mithin ein absolutes Anknüpfungsverbot darstellt.

Leider wird diese These nicht mit Literatur belegt, sodass man als Leser nicht weiß, wie weit diese Meinung verbreitet ist. Nach meinen Recherchen wird ein solches absolutes Anknüpfungsverbot kaum vertreten – es ließen sich aber Fundstellen dafür finden.

Und wenn man schon einmal beim Korrekturlesen ist, stolpert man auch über:

Ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 22 III 1 BPolG iVm §§ 52–54 StPO stand ihm nicht zu.

§ 22 III 1 BPolG verweist auf §§ 52-55 StPO.

Methodisch interessant wird es auf Seite 1008:

Das Anhalten des S ist als Minus zum Festhalten von § 23 III 4 BPolG als zulässige Maßnahme erfasst, der Rucksack ist eine mitgeführte, keine am Körper getragene Sache.

Werfen wir einen Blick in § 23 III BPolG:

1Die Bundespolizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. 2Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, daß er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. 3Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, daß der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. 4Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Die Konstruktion der Minus-Maßnahme bedarf es also gar nicht: Die Rechtsgrundlage zum Anhalten befindet sich in § 23 III 2 BPolG.

Und so sieht man am Ende: Manchmal geht es auch einfacher. Das Gesetz ist oft klüger, als man denkt.

Fazit: Eine nähere Auseinandersetzung mit der Fortsetzungsfeststellungsklage lohnt sich im Vorfeld der staatlichen Pflichtfachprüfung. Es handelt sich um eine beliebte Klageart in Klausuren, die immer wieder auftaucht. Mit ein bisschen Vorbereitung darauf, drohen in diesem Zusammenhang keine Überraschungen. Vielmehr können solche Passagen von Klausuren zum Punktesammeln genutzt werden, da die Problemstellungen überschaubar sind.

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