BVerfG als Superrevisionsinstanz? Nicht ohne die Schumann’sche Formel!

Es gibt Klausurkonstellationen, denen man immer wieder begegnet. Eine davon ist im öffentlichen Recht der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts bei einer Urteilsverfassungsbeschwerde.

Dazu schreibt Altevers in der RÜ 11/14, 724 (727):

Da das BVerfG kein Superrevisionsgericht ist, prüft es nicht die richtige Anwendung des einfachen Rechts, sondern lediglich das Vorliegen einer spezifischen Verfassungsverletzung. Eine solche ist anzunehmen, wenn das Gericht gar nicht erkannt hat, dass es im grundrechtsrelevanten Bereich agiert oder wenn die angegriffenen Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang des Schutzbereichs, beruhen (sog. Heck’sche Formel).

Sollte man das in einer Klausur so behandeln? Ich würde „nein“ sagen.

Die Heck’sche Formel (die nach dem Berichterstatter in diesem Verfahren, Karl Heck, benannt wurde) lautet vollständig (BVerfG, 1 BvR 144/06 vom 22.2.2006, Absatz-Nr. 10):

Die normalen Subsumtionsvorgänge innerhalb des einfachen Rechts sind so lange der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entzogen, als nicht Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind.

Wir sehen also, dass Altevers in der RÜ den zweiten Halbsatz der Heck’schen Formel hat wegfallen lassen.

Zudem gibt es eine weitere Abgrenzungsformel, die herangezogen werden kann: Die sog. Schumann’sche Formel. Diese hat Ekkehard Schumann in seiner Dissertation „Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen“ im Jahre 1963 entwickelt.

Dort heißt es auf S. 206:

Schumannsche-Formel

 

 

 

 

 

Dass es wichtig ist, beide Herangehensweisen in einer Klausur anzusprechen, zeigt zB die Klausurbesprechung von Rixecker „Erziehung zur Mündigkeit„.

Wir merken uns also:

Heck’sche Formel: 

Die normalen Subsumtionsvorgänge innerhalb des einfachen Rechts sind so lange der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts entzogen, als nicht Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind.

Schumann’sche Formel:

Eine (angebliche) Fehlinterpretation einfachen Gesetzesrechtes ist für das BVerfG irrelevant, wenn der einfache Gesetzgeber bei der Regelung der betreffenden Materie ohne grundrechtliche Beanstandung zu derselben Rechtsfolge wie die (angeblich) unrichtige Auslegung hätte kommen können.

Fensterscherben

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