Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung

In der JA 2015 findet sich auf den Seiten 98ff eine Klausur von Alexander Eufinger, die folgenden Titel trägt:

„Am 11.11.2011 nimmt der Augenblick, was harter Arbeit Jahre gegeben (frei nach Johann Wolfgang von Goethe)“

Es handelt sich um einen Fall aus dem Arbeitsrecht zur Arbeitnehmerhaftung. Es wird geprüft, ob die X-GmbH gegen A einen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Beschädigung eines Dienstwagens hat. Dazu werden §§ 611, 280 I BGB als Anspruchsgrundlage herangezogen.

Auf Seite 99 beginnt die Prüfung dann mit der Feststellung, dass das für den Anspruch erforderliche Schuldverhältnis in Form eines Arbeitsvertrages vorliegt:

Ein Arbeitsvertrag ist zwischen der X-GmbH und A gegeben.

MohnHier hätte man möglicherweise noch § 13 I GmbHG zitieren können, der die Rechtsfähigkeit der GmbH normiert.

Aber weiter in der Fall-Lösung. Eufinger prüft im Anschluss eine Pflichtverletzung, die bejaht wird. Danach folgt der Prüfungspunkt „Vertretenmüssen“. Unter 1. erläutert der Autor, dass A fahrlässig gehandelt hat. Interessant wird dann der Punkt 2. Im Rahmen der Prüfung des Vertretenmüssens werden nun nämlich die Grundsätze zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung herangezogen. Nochmal übersichtlicher:

III. Vertretenmüssen

1. Fahrlässigkeit

2. Grundsatz der beschränkten Arbeitnehmerhaftung

Nun wird es spannend:

Eine Haftung des A kann jedoch ausgeschlossen sein, wenn die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung zur Anwendung kämen. Diese Grundsätze beruhten früher auf einer Rechtsfortbildung extra legem und folgen iSd § 276 I, II BGB heute zumindest grundsätzlich aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses. Die vom BAG favorisierte Lösung über § 254 BGB analog erscheint mangels noch bestehender Regelungslücke nachrangig. Eine Streitentscheidung zwischen diesen beiden Begründungsansätzen ist mangels Ergebnisrelevanz entbehrlich.

Einerseits prüft Eufinger die Grundsätze im Rahmen des Vertretenmüssens und schließt sich so der Ansicht an, die die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung § 276 I, II BGB entnimmt. Andererseits hält er eine Streitentscheidung mangels Ergebnisrelevanz für entbehrlich, nennt aber dennoch ein Argument für die von ihm favorisierte Lösung über § 276 I, II BGB.

Es ist fraglich, ob man mit einer Lösung dieser Art stets auf Zustimmung hoffen kann. Betrachtet man die Lösungsskizze des  Instituts für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, Universität zu Köln zu einem vergleichbaren Fall, der sich mit den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung beschäftigt, so wird deutlich, dass möglicherweise doch ein kleiner Streitentscheid durchzuführen ist.

Wie auch Eufinger sprechen die Juristen aus Köln im Rahmen des Vertretenmüssens die Ansicht an, die die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung in § 276 I, II BGB verankert sehen. Dann wird diese Ansicht diskutiert. Auf Seite 3 der Lösung wird zunächst ein Argument für die Verankerung in § 276 I, II BGB genannt:

Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ging davon aus, dass die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers nach der ständigen Rechtsprechung des BAG mit § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB kodifiziert würde. Der Wille des Gesetzgebers spricht deswegen dafür, dass dem Arbeitsvertrag im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB eine mildere Haftung zu entnehmen ist (vgl. Däubler, NZA 2001, 1329, 1331f.).

Auf Seite 4 folgt dann ein Gegenargument:

Dagegen spricht jedoch, dass die richterrechtlichen Grundsätze der
beschränkten Arbeitnehmerhaftung nicht an den Haftungsgrund anknüpfen, indem sie das Vertretenmüssen gegenüber der Grundregel des § 276 BGB einschränken. Vielmehr nehmen sie, wenn der Haftungsgrund feststeht, eine besondere Risikozuweisung vor. Es geht daher um eine Regelung der Haftungsfolgen, die nicht Gegenstand von § 276 BGB sind (Waltermann, RdA 2005, 98, 99f.).

Weil man dieser Ansicht letztlich nicht folgt, wird ein weiteres Gegenargument angefügt:

Die Einbettung der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers in das Vertretenmüssen nach § 276 BGB erlaubt zudem nur eine „Alles-oder-Nichts-Lösung“ und bietet keine Erklärung für die von der Rechtsprechung zumeist vorgenommene Schadensteilung (Krause, NZA
2003, 577, 581).

Erst nach dem Prüfungspunkt „Schaden“ wird dann unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB analog der innerbetriebliche Schadensausgleich diskutiert.

Was möchte ich damit sagen? Letztlich sind beide Lösungsansätze in einer Klausur vertretbar. So auch die Kölner (S. 5):

Die Gegenansicht, die die Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers unter den vom BAG formulierten Bedingungen auf § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB stützt, ist gut vertretbar und dürfte in der Regel nicht zu anderen Ergebnissen als die Lösung über § 254 BGB führen.

Jedoch sollte man wohl doch ein paar Worte zu dem dogmatischen Anknüpfungspunkt der beschränkten Arbeitnehmerhaftung verlieren und einen Streitentscheid durchführen. Letztlich schließt man sich durch seinen Aufbau je nach Prüfungsstandort einer Ansicht an und das sollte begründet werden. Die Musterlösung aus Köln zeigt auch, dass damit „Punkte zu holen“ sind.

Was lernen wir daraus? Man sollte immer darauf achten, ob und wenn ja in welcher Weise man durch seinen Aufbau Thesen vorgibt, die begründungsbedürftig sind.

P.S. Natürlich weckt die Überschrift des Beitrags „Am 11.11.2011 nimmt der Augenblick, was harter Arbeit Jahre gegeben (frei nach Johann Wolfgang von Goethe)“ den sportlichen Ehrgeiz dahingehend, welches Goethe-Zitat den Autor inspiriert hat. Es dürfte sich um die Verse

„Denn es nimmt der Augenblick

Was die Jahre geben“

aus dem „Tischlied zu Zelter’s siebzigstem Geburtstage“ handeln (Goethe’s sämmtliche Werke in vierzig Bänden, Bd. 6, Stuttgart/Tübingen 1840, S. 31).

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