Versuchsbeginn und die Teilverwirklichungslehre

Heute ein Beispiel dafür, worauf man bei der Prüfung des Versuchsbeginns in einer Strafrechtsklausur achten sollte. Manuel Ladiges schreibt dazu in der JuS 2014, 1095 (1097):

H muss iSv § 22 unmittelbar zum Betrug angesetzt haben. Dies könnte vor dem Hintergrund, dass sie erst am Folgetag den Kaufpreis von A erhalten sollte, zweifelhaft sein. Allerdings setzt der Täter stets unmittelbar an, wenn er bereits einen Teilakt des objektiven Tatbestands verwirklicht hat. Dies ist der Fall, denn H hat bereits die Täuschungshandlung gegenüber A vorgenommen.

Für diese These zum Versuchsbeginn bezieht sich Ladiges u.a. auf Rengier, Strafrecht AT, 2013, § 34 Rn. 29. Dort heißt es aber nicht so, wie Ladiges formuliert, sondern:

Auch wenn der Täter bereits ein objektives Tatbestandsmerkmal verwirklicht hat, spricht im Regelfall vieles dafür, dass ebenfalls § 22 erfüllt ist: […]

Rengier schreibt also „spricht im Regelfall vieles dafür“ – daraus macht Ladiges „stets“. Rengier erläutert jedoch im folgenden Satz, warum ein solcher Automatismus gerade nicht besteht:

Die Bejahung des § 22 beruht aber nicht auf einer Regel „Teilverwirklichung = § 22“, sondern rührt daher, dass in solchen Fällen das Ansetzen, so wie es § 22 erfordert, typischerweise bereits auf die Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale gerichtet ist.

Rengier nennt auch ein Beispiel, bei dem besondere Vorsicht angezeigt ist:

Wo Letzteres nicht der Fall ist, kann auch § 22 nicht bejaht werden, so wenn ein Betrüger mit der Täuschung noch nicht denjenigen Irrtum hervorrufen will, der die schädigende Vermögensverfügung auslösen soll.

Haus-Baeume

 

 

In der Fall-Lösung von Ladiges geht es gerade um einen versuchten Betrug.

Wir merken uns:

Es gibt keinen Automatismus der Art: Teilverwirklichung = § 22 StGB.

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