Frauenfußball = Männerfußball?

Nun haben wir es also amtlich: Im Frauenfußball gelten dieselben rechtlichen Regeln wie im Männerfußball. Zu entnehmen ist dies einer Pressemitteilung des OLG Hamm, die diesbezüglich folgendes ausführt:

Verletzt sich eine Spielerin beim Frauenfußball im Rahmen eines im
Kampf um den Ball geführten, üblichen Zweikampfs, stehen ihr keine
Schadenersatzansprüche gegen die andere am Zweikampf beteiligte
Spielerin zu. Es gelten die höchstrichterlichen Haftungsregeln bei
sportlichen Wettkämpfen mit erheblichem Gefahrenpotential, die auch im Männerfußball Anwendung finden. Ausgehend hiervon hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Hinweisbeschluss vom 22.12.2016 der Berufung einer klagenden Spielerin gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Essen keine Erfolgsaussichten beigemessen. Die klagende Spielerin hat die Berufung darauf hin am 16.01.2017 zurückgenommen.

(Hervorhebung nicht im Original)

Erstaunt reibt man sich die Augen.

Ist Frauenfußball dergestalt vom Männerfußball zu unterscheiden, dass es einer juristischen Feststellung dieser Art bedarf? Man erinnert sich an einige Zitate, die den Frauenfußball unter den Vorbehalt mangelnder Vergleichbarkeit mit dem Männerfußball gestellt hatten. Aber das sollten doch „tempi passati“ sein. Oder würde man in einer Pressemitteilung schreiben: „Der Unfall wurde von einer Frau verursacht. Für Frauen gelten im Straßenverkehr die gleichen Regeln, die für Männer Anwendung finden.“ Doch wohl eher nicht ;-).

Damit aber der 9. Zivilsenat des OLG Hamm nicht in den Verdacht gerät, „ausgehend hiervon“ seine Entscheidung getroffen zu haben, ist ein Blick in seinen Hinweisbeschluss hilfreich. Denn dort finden sich keinerlei Ausführungen zur Übertragung der Männerfußball-Regeln auf den Frauenfußball.

Daraus lernen wir nebenbei: Pressemitteilungen darf man nicht immer vollständig vertrauen ;-).

P.S. Um auch bei der Gelegenheit juristisch etwas zu lernen, sei Randnummer 22 des Hinweisbeschlusses zitiert, wo zustimmend die Argumentation der Vorinstanz referiert wird:

Sodann hat es [Landgericht Essen, M.H.] die Klage mit Urteil vom 21.07.2016 mit der Begründung abgewiesen, bei Wettkämpfen mit beachtlichem Gefahrenpotential, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder geringfügigen Regelverletzungen die Gefahr gegenseitiger Schädigung bestehe, sei davon ausgehen, dass jeder Teilnehmer diejenigen Verletzungen selbst mit schwersten Folgen in Kauf nehme, die auch bei Ausübung nach den anerkannten Regeln der jeweiligen Sportart nicht zu vermeiden seien.  Eine Haftung komme nur in Betracht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Regelwidrigkeit oder beim Überschreiten der Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und unfairem Regelverstoß.

2 comments

  1. Besonders eisenharte Verteidiger sagt:

    Also zum 120. Geburtstag von Sepp Herberger muss ja wohl der Hinweis gestattet sein: Zur Vergleichbarkeit des sogenannten “Frauenfußballs” mit dem richtigen, also von Männern gespielten Fußball hatten der Chef und wir – und da sprechen wir für die ganze Mannschaft – immer einen klaren Standpunkt: “Fußball ist keine Sportart, die für Frauen geeignet ist, eben schon deshalb, weil er ein Kampfsport ist.” Aber wenn man heutzutage schon so ein Mädchen-Tackling wie das von dem Hummels oder wie der heißt mit einer “Herberger-Grätsche” verwechselt, haben sich die Maßstäbe offenbar sehr verschoben.

    W. Liebrich & W. Kohlmeyer

    • klartext-jura sagt:

      Sehr geehrter Herr Liebrich,
      sehr geehrter Herr Kohlmeyer,

      Ihre Erinnerung an die Einschätzung des Frauenfußballs durch den Chef ist zutreffend (vgl. hierzu). Inzwischen ist die wissenschaftliche Forschung aber weitergegangen und hat u.a. zu folgendem Ergebnis geführt:

      Issurin et al (2006) merken den wichtigen Aspekt an, dass Frauen allgemein die gleiche muskuläre Qualität wie Männer aufweisen. Die Vorteile der Männer basieren hauptsächlich auf anthropometrischen Faktoren und den Folgeerscheinungen einer höheren Konzentration des männlichen Geschlechtshormons Testosteron, das aufgrund seines anabolen Effekts unter anderem eine Muskelhypertrophie bewirkt.

      (Paul, Corinna. Schussgeschwindigkeit beim Vollspannstoß im Frauenfußball. Zum Zusammenhang von maximalen Momenten und der Momententwicklungen der beteiligten Muskulatur. 2010, S. 61)

      Da der Chef, wie seine Bibliothek zeigt, der Wissenschaft gegenüber aufgeschlossen war, hätte er sich diesen Erkenntnissen sicher nicht verschlossen.

      Mit freundlichen Grüßen und Dank für Ihren Beitrag hier

      M. Herberger

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