Es muss nicht Wucher sein: Wucherähnlich reicht.

Der Bericht in der Bild-Zeitung vom 05.05.2022 mit dem Titel „Krankenschwester ruiniert: So läuft das miese Geschäft mit den Teuer-Büchern“ hat uns letzte Woche dazu angeregt, den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB näher zu betrachten. Wenn man sich mit Wucher beschäftigt, sollte man aber gedanklich nicht bei § 138 Abs. 2 BGB stehen bleiben. Woran sollte man zusätzlich denken?

Exakt: An das wucherähnliche Rechtsgeschäft. Dieses ist in § 138 Abs. 1 BGB zu verorten:

Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

Bei einer solchen Generalklausel fragt man sich natürlich, was in einer Klausur unter dem Gesichtspunkt eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts zu prüfen ist. Dazu der BGH:

„Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Vertrag als wucherähnliches Geschäft nach § 138 I BGB nichtig, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, beispielsweise eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist nicht nur dann zu bejahen, wenn er als der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, sondern auch dann, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sein Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten.“

BGH, Urt. v. 13.06.2001, XII ZR 49/99, NJW 2002, 55, 56 f.

Der in der Bild-Zeitung geschilderte Sachverhalt enthält zahlreiche Anknüpfungspunkte, die hier im Rahmen der Subsumtion verarbeitet werden könnten.

Übrigens: Für die Praxis lautet der Tipp von Armbrüster:

Bei Äquivalenzstörungen steht in der Praxis ihre Erfassung als wucherähnliches Geschäft ganz im Vordergrund.

MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, § 138 BGB Rn. 205

Das wucherähnliche Rechtsgeschäft wäre also auch eine ganz nützliche Ergänzung für den Bericht in der Bild-Zeitung. Und damit wird die Bild-Zeitungsserie abgeschlossen.

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