„Ein Federstrich“ oder „Drei berichtigende Worte“?

Die Annahme ist nicht gewagt, dass wir alle schon im Studium in der einen oder anderen Vorlesung dem berühmten Kirchmann-Zitat begegnet sind, nach dem eine Aktion des Gesetzgebers ganze Bibliotheksbestände zu Makulatur machen kann. Das Problem ist nur: Das Zitat ist in zwei Versionen unterwegs, ein Faktum, das eine Google-Recherche unschwer zu Tage fördert. Die eine Version spricht von einem „Federstrich des Gesetzgebers“, die andere nennt „drei berichtigende Worte“ des Gesetzgebers als Ursache dafür, dass möglicherweise eine nennenswerte Anzahl juristischer Bücher ihre Relevanz verliert. Fragt sich, welche der beiden Versionen die von Kirchmann gewählte Originalformulierung richtig zitiert.

Die „Federstrich“-Version hat es immerhin in die „Neue Deutsche Biographie“ geschafft. Dort wird gesagt, Kirchmann habe konstatiert, „daß durch einen ‚Federstrich des Gesetzgebers‘ ganze juristische Bibliotheken ‚Makulatur‘ würden“ (NdB 11 (1977), S. 654-655 [Online-Version]). Wenn man sich durch die Lektüre der Kurzbiographie an dieser Stelle ein wenig über den Lebensweg von Kirchmann informiert hat (wozu zu raten ist), bleibt die Frage, ob die „Federstrich“-Version korrekt ist. Um das zu überprüfen, muss man die Druckfassung des Kirchmann’schen Vortrags zum Thema „Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft“ konsultieren. Gehalten hat Kirchmann diesen Vortrag im Jahr 1847 in der Juristischen Gesellschaft zu Berlin. Im Druck ist der Vortrag im Jahr 1848 erschienen. Dort lautet der entsprechende Passus:

(Quelle: Kirchmann, Julius H. von, Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Digitalisiert durch die Universitätsbibliothek J.C. Senckenberg Frankfurt am Main 1998, S. 23).

Also nicht „Federstrich des Gesetzgebers“, sondern „drei berichtigende Worte des Gesetzgebers“. Und da man Zitate immer dem Kontext nach beurteilen soll: Starke Lese-Empfehlung für den immer noch lesenswerten Vortrag von Kirchmann.

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