Archiv für Zivilprozessrecht

§ 29a ZPO – Ausschließlicher Gerichtsstand bei Miet- oder Pachträumen: Ein kleiner Ausflug in die Geschichte

Im Saarland ist in der 2. juristischen Staatsprüfung folgendes denkbar:

Man hat im Rahmen der Zulässigkeit einer Klage die sachliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG zu prüfen.

Werfen wir einen Blick auf den entsprechenden Normtext:

Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind:

[…]

2. ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes:

a) Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses; diese Zuständigkeit ist ausschließlich;

[…]

Nun greift man zu dem zugelassenen Kommentar Musielak/Voit, Zivilprozessordnung: ZPO mit Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, 14., neubearbeitete Auflage 2017, den man aus Gründen der Examenssicherheit zum Preis von 169,00 € erworben hat. Denn, so wird u.a. dafür geworben:

Seine besondere Klasse beweist das Werk vor allem in schwierigen Situationen, wo es stets mit praxistauglichen Lösungen aufwartet.

Gilt das auch hier?

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RTL on Justice: Einspruch? Widerspruch?

Am 14.09.2015 lief um 23:30 Uhr bei RTL die Sendung „30 Minuten Deutschland – Justice“ mit dem Titel „Der Vater ohne Gesicht – Wenn ein Elternteil ausgegrenzt wird“.

Laut Richterin Julia Scherf hat die Sendung folgendes Ziel:

Wer vor Gericht steht, will mit seinen Sorgen und Nöten verstanden werden und begreifen, was das Gesetz zu seinem Fall sagt. Hier wollen wir helfen – indem wir die Gründe für gesetzliche Regelungen, den Sinn und den Zweck von Normen, und die Funktionsweise von Prozessordnungen erklären.

Tatsächlich ist beim Auftakt (0:01:08 – 0:02:30) von etwas Prozessualem die Rede:

Schon vor einem guten Jahr berichtete Justice über den Fall
von Uwe X. Hier ein Ausschnitt aus dem Film, der u.a. das
Schicksal von Vätern thematisierte, die ihre Kinder nicht
sehen dürfen. Herr X ist so ein Vater. Über seine Geschichte
darf er in diesem Film nur anonym sprechen. Das Landgericht
Berlin hat per einstweiliger Verfügung sein Grundrecht auf
freie Meinungsäußerung eingeschränkt. […]

(Julia Scherf, Richterin) Vor einem Jahr berichtete Justice
über das Thema Kindesentfremdung als Folge erbitterter
Trennungskriege zwischen Müttern und Vätern. Und da sind wir
mit unserer Berichterstattung zwischen die Fronten geraten.

Vor der Ausstrahlung erreichte die Redaktion eine
einstweilige Verfügung. Es ging um die Frage, ob ein Vater,
der seit fast zehn Jahren darum kämpft, seine drei Kinder
sehen zu dürfen, das Recht hat, seine Geschichte öffentlich
zu erzählen. Oder ob das nur erlaubt ist, wenn dabei sein
Gesicht – wie hier – seine Stimme und sein Name verfremdet
werden.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein Grundrecht.
Deswegen haben wir gegen die einstweilige Verfügung Einspruch
erhoben und vor dem Land- und Kammergericht Berlin Recht
bekommen. Der Vater darf berichten.

(Zum Film; zur Zeit noch kostenlos)

Was fällt hier prozessual auf?

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Von § 233 ZPO zu § 233 FamFG? Oder: Ein lustiger Tippfehler

In der RÜ 12/2014, S. 769ff  bespricht Nissen einen Fall, in dem es um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geht. Ausgangspunkt dabei ist § 233 ZPO:

§ 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Im konkreten Fall wurde die Frist zur Begründung der Beschwerde gem § 117 I 3 FamFG versäumt.

Dazu schreibt Nissen auf S. 770:

Die Frist zur Begründung der Beschwerde ist in § 233 ZPO nicht benannt. Nach § 233 Abs. 5 FamFG gelten die §§ 233 und 234 Abs. 1 S. 2 ZPO für die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Fristen zur Begründung der Beschwerde und Rechtsbeschwerde jedoch entsprechend.

Als Student sind Normen aus dem FamFG nicht unbedingt so geläufig, sodass es praktisch wäre, wenn es sich tatsächlich um § 233 FamFG handeln würde. Man könnte sich dann gut merken, dass in der oben genannten Konstellation innerhalb des § 233 ZPO auf § 233 FamFG (233 -> 233!) zurückzugreifen ist. Ein Blick in § 233 FamFG zerstört aber diese schöne Illusion:

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