Achtung bei der „herrschenden Meinung“

In der RÜ 9/2014 beschäftigt sich Gründer auf den Seiten 597ff mit dem Abschleppen verbotswidrig an einem Taxenstand parkender Fahrzeuge.

(Vgl. dazu auch „Verhaltensstörer und/oder Zustandsstörer?„.)

Dazu heißt es auf Seite 598:

Die eingeleitete Maßnahme ist auch begrifflich als Ersatzvornahme i.S.v. § 10 VwVG einzuordnen, weil es sich bei der Verpflichtung, den Bus aus der Halteverbotszone zu entfernen, um eine vertretbare Handlung handelt. Dass K den Bus dazu nicht abgeschleppt, sondern einfach weggefahren hätte, steht der Annahme einer Ersatzvornahme nicht entgegen. Nach überwiegender Auffassung ist es nicht erforderlich, dass die Behörde die geschuldete Handlung genauso ausführen lässt, wie dies auch der Pflichtige (vermutlich) getan hätte (keine Ausführungsidentität). Ausreichend ist vielmehr, dass die behördlich veranlasste Maßnahme – wie hier – den geschuldeten Erfolg unmittelbar herbeigeführt hat (Erfolgsidentität).

Hier erfolgt also eine Abgrenzung zwischen Ersatzvornahme und unmittelbarem Zwang (ohne dass dieser Begriff fällt). Zudem wird behauptet, dass die überwiegende Auffassung keine Ausführungsidentität fordert.

Zur Klärung ein Blick in die JuS 2012, 272ff. Hier schreibt Muckel:

Das Entfernen des Fahrzeugs, zB aus dem Halteverbot, ist einerseits eine vertretbare Handlung, andererseits wirkt die Behörde – idR mit Hilfe eines Abschleppunternehmers – körperlich auf das Auto ein. Nach der wohl noch hM ist ein solcher Vorgang aber nur dann als Ersatzvornahme zu werten, wenn nicht nur der Erfolg, sondern auch die Art und Weise der Zwangsanwendung mit der dem Pflichtigen obliegenden Handlung identisch ist. Seien geforderte Handlung und behördliche Maßnahme nicht identisch, könne es sich nur um unmittelbaren Zwang handeln. Diese „Identitätstheorie“ führt dazu, dass eine Ersatzvornahme häufig ausscheidet.

Nach Muckel fordert die herrschende Meinung eine Ausführungsidentität. Was nun wirklich die herrschende Meinung ist wird sich nur schwer feststellen lassen. Aber darum geht es auch gar nicht.

Wenn es zwei Meinungen gibt, kann man sich einer Begründung nicht dadurch entziehen, dass man auf die „herrschende Meinung“ verweist. Vielmehr muss man dann argumentieren, warum man sich der einen oder anderen Ansicht anschließt. Das fehlt leider bei Gründer.

Muckel hingegen nennt Argumente (S. 278), die man dann auch als Student in einer Klausur heranziehen könnte:

– Für eine Ausführungsidentität:

Diese hM stützt sich vor allem auf den Wortlaut des Gesetzes, der für eine Ersatzvornahme verlangt, dass die Behörde anstelle des Pflichtigen „die Handlung selbst“ (§ 59 I VwVG NRW, § 52 I 1 PolG NRW) ausführt.

– Für eine Erfolgsidentität:

Erstens wird in dem von der hM herangezogenen Gesetzeswortlaut zwar auf die Handlung, nicht aber auf die Art und Weise abgestellt, in der sie vorgenommen wird. Regelmäßig geht es bei den Verwaltungsakten im hier maßgeblichen Sinne um Verwaltungsakte, mit denen ein Handeln im Interesse eines bestimmten Erfolges (zB zur Gefahrenabwehr) durchgesetzt werden soll. Die Handlung als solche steht nicht im Mittelpunkt des Interesses.

Zweitens hat der Adressat des Verwaltungsakts regelmäßig einen gewissen Spielraum. Die Behörde verlangt zB von ihm, ein defektes Fahrzeug aus dem Halteverbot zu entfernen. Ob er das Fahrzeug dann wegschiebt, abschleppen lässt oder an Ort und Stelle repariert (wenn das ohne weiteres und schnell möglich ist), steht ihm frei.

Im Ergebnis bleibt also festzuhalten, dass man sich sowohl der Ansicht der Erfolgsidentität als auch der Ansicht der Ausführungsidentität anschließen kann. Wichtig ist aber, dass man sich dann nicht nur auf die vermeintlich „überwiegende Auffassung“ beruft, sondern auch Argumente nennt.

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