Rechtsverletzung oder Rechtsgutsverletzung?

In der JuS 2/2015 befindet sich auf den Seiten 156ff eine Fall-Lösung von Nikolas Klein: (Original-)Referendarexamensklausur – Zivilrecht: Anwaltshaftung, Mietrecht und Zivilprozessrecht – Der untätige Rechtsanwalt.

Auf Seite 159 heißt es:

Durch die Absplitterungen an Waschbecken und Toilette wurde das Eigentum des W – als geschütztes Rechtsgut iSd § 823 I BGB – verletzt.

Auf Seite 160 steht dann:

Die Rechtsgutsverletzung liegt in Form einer Eigentumsverletzung vor.

Weiter heißt es ebenfalls auf Seite 160:

Die Rechtsgutsverletzung besteht in der Eigentumsbeschädigung an der Tür.

Und auf Seite 161 lesen wir dann:

Ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch des W gegen H besteht nicht, da es bereits an einer hierfür erforderlichen Rechtsgutsverletzung iSd § 823 I BGB fehlt. Die Norm kennt keinen allgemeinen Vermögensschutz.

Fällt bei den Formulierungen etwas auf?

Allen Zitaten ist gemeinsam, dass eine Eigentumsverletzung geprüft wird und dabei von einer Rechtsgutsverletzung die Rede ist.

Anders formuliert Evlalia Eleftheriadou in der JuS 2009, 434ff: 

– Seite 435: N könnte gegen F wegen der Zerstörung des Wagens einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I haben. Dann müsste zunächst eine Rechtsverletzung vorliegen.

– Seite 439: Eine Rechtsgutverletzung liegt in Form einer Körperverletzung des P vor.

Wir sehen: Es gibt einen terminologischen Unterschied zwischen Rechtsverletzung und Rechtsgutsverletzung (bzw Rechtsgutverletzung).

Dazu ein Blick in Mehrings, Grundlagen des Wirtschaftsprivatrechts, 2. Auflage 2010, S. 384:

Merke: Aus der Verletzungshandlung muss eine Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit) oder Rechte (Eigentum, „sonstiges Recht“) resultieren.

Aus dem terminologischen Unterschied ergibt sich aber auch eine sachliche Konsequenz. Das in § 823 I BGB genannte sonstige Recht muss eigentumsähnlich sein, denn das Eigentum ist das einzige in § 823 I BGB genannte Recht.

Gut zusammengefasst können wir das bei J.Lange/Schmidbauer, jurisPK-BGB, Band 2, 7. Auflage 2014, § 823 Rn. 18 nachlesen:

Das einzige im Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB aufgeführte „Recht“ ist das Eigentum. Demgegenüber sind „Leben“, „Körper“, „Gesundheit“ und „Freiheit“ bloße Rechtsgüter. Daher folgt aus der Gesetzessystematik, dass die „Oder-Verknüpfung“ im Tatbestand sich nur auf das Eigentum bezieht. Daraus ergibt sich wiederum, dass das „sonstige“ Recht keine beliebige subjektiv-rechtliche Rechtsposition sein kann, sondern ein absolutes eigentumsähnliches Recht sein muss, das ebenso wie das Eigentum durch Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion geprägt ist (vgl. § 903 BGB).

Juristen Ping PongWir merken uns:

– Im Zusammenhang mit Leben/Körper/Gesundheit/Freiheit sprechen wir von Rechtsgütern, also dann von einer Rechtsgutsverletzung.

– Im Zusammenhang mit Eigentum sprechen wir von einem Recht, also dann von einer Rechtsverletzung.

P.S. Bleibt noch eine kleine Orthografie-Frage: Soll man „Rechtsgutsverletzung“ (mit Fugen-S) oder „Rechtsgutverletzung“ (ohne Fugen-S) schreiben? Der Duden-Online verzeichnet das Wort nicht. Aber korrekturenfest müssten eigentlich beide Varianten sein, da die Rechtsprechung (wie eine juris-Recherche zeigt) – und übrigens auch die JuS – beide Varianten verwenden. Nur einheitlich sollte man schreiben.

7 comments

  1. Marcus Crassus sagt:

    Gegenfrage: man sagt doch auch nichts Bratskartoffeln oder? 😉

    • klartext-jura sagt:

      Das wäre dann ein Votum für Rechtsgutverletzung ohne Fugen-S, falls man nicht einen Unterschied darin sieht, dass „Brat“ kein Substantiv ist. Jedenfalls vielen Dank für das Votum.

    • Martin S. sagt:

      @ Marcus Crassus: Wieso dann nicht konsequent “ Rechtgutverletzung“?;)

      Die Frage, ob es eines Fugen-S bedarf, kann man gut mit einer einfachen Satzumstellung klären:

      Das Gut eines Rechts = Rechtsgut

      Die Verletzung eines Rechtsguts = Rechtsgutsverletzung.

      Es handelt sich bei dem Fugen-S also um das Genetiv-S, was bei der Satzumstellung unzweifelhaft verwendet werden würde.

      Kontrollfrage für dein Beispiel:

      Die gebratene Kartoffel = Bratkartoffel.

  2. Filip sagt:

    sehr gut erklärt! Hab ich gerade für mien Recht-Klausur gebraucht

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