Erläuterungen zur Grundrechte-Charta

Ein momentan europarechtlich sehr prüfungsrelevantes Thema ist bei Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 Grundrechte-Charta angesiedelt. Es geht dabei um den Anwendungsbereich der Grundrechte der Grundrechtecharta. Die relevante Regelung lautet wie folgt:

Diese Charta gilt für die Organe und Einrichtungen der Union unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union.

Die Frage ist nun, was „Durchführung des Rechts der Union“ bedeutet.


Ich möchte diese Problematik hier nun nicht vollständig diskutieren, sondern nur auf ein spezielles Argument eingehen. Ausgangspunkt soll das Urteil Åkerberg Fransson (C-617/10) sein, das mittlerweile bereits in einigen Examensklausuren geprüft wurde (bei mir im schriftlichen Examen und in der mündlichen Prüfung). In dem Urteil heißt es unter Rn 19:

Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich im Wesentlichen, dass die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden. Insoweit hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass er eine nationale Rechtsvorschrift nicht im Hinblick auf die Charta beurteilen kann, wenn sie nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt.

Diese aus deutscher Sicht nicht unangegriffen gebliebene These wird unter anderem mit folgendem Argument belegt:

Diese Definition des Anwendungsbereichs der Grundrechte der Union wird durch die Erläuterungen zu Art. 51 der Charta bestätigt, die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta für deren Auslegung zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB, C-279/09, Slg. 2010, I-13849, Randnr. 32). Gemäß diesen Erläuterungen „[gilt d]ie Verpflichtung zur Einhaltung der im Rahmen der Union definierten Grundrechte für die Mitgliedstaaten … nur dann, wenn sie im Anwendungsbereich des Unionsrechts handeln“.

Als Klausurant stellt man sich nun die Frage, wo denn diese Erläuterungen in der eigenen Gesetzessammlung abgedruckt sind. Im Saarland muss man dazu im Sartorius II nachschauen, denn diese europarechtliche Sammlung ist hier (und auch in anderen Bundesländern) im Examen zugelassen. Leider liest man dort dann nach dem Abdruck der Präambel:

Vom Abdruck [der Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, M.H.] wird zunächst abgesehen.

Und hier der „Bild-Beweis“:

Erläuterungen zur Charta der Grundrechte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Da fühlt man sich in der Klausur ziemlich alleine gelassen. Und dann: „Zunächst“? Dieser Satz stammt noch aus der Ergänzungslieferung 46 (Dezember 2009), aber bis heute ist leider daran festgehalten worden. Warum man Erläuterungen, die nach Art. 6 I UAbs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta ausdrücklich zur Auslegung heranzuziehen sind nicht abdruckt, bleibt wohl das Geheimnis des Beck-Verlags.

2 comments

  1. Pausenlos sagt:

    Anders gestaltet sich das übrigens unter Zugrundelegung der DTV-Textsammlung zum Europarecht (die zumindestens in Hessen im Gegensatz zum Satorious II) zugelassen ist.

    • klartext-jura sagt:

      Im Saarland und in Hessen scheint die Lage insofern vergleichbar zu sein. Die Studierenden in beiden Bundesländern müssen zwischen Sartorius II und der dtv-Sammlung Europarecht wählen.

      Hessen: „Sartorius Band II, Internationale Verträge – Europarecht, Loseblattsammlung, oder
      Beck-Texte, dtv, Band 5014, Europarecht“

      Saarland: „Europarecht, Beck-Texte, dtv-Band 5014 oder Sartorius Band II, Internationale
      Verträge – Europarecht (Loseblattsammlung)“

      Da das „oder“ wohl leider als ausschließendes oder gemeint ist, hat man damit die Qual der Wahl…

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