Limetten doch nicht ins Glas?

In Anlehnung an einen immer noch bekannten Schlager könnte man sagen: Das Wettbewerbswidrige ist immer und überall.

Wenn man „Recht im Alltag“ praktizieren will, kann das stets Anlass sein, ein wenig unter das UWG zu subsumieren. Beginnen wir mit der folgenden Netto Marken-Discount-Werbung für Limetten, die mich kürzlich in die hiesige Netto-Filiale gelockt hat:

limetten-werbung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Werbung vom 26.09.2016 – 01.10.2016, S. 22)

Da ist zunächst ganz lustig, dass erst von der „6er Schale“ die Rede ist und direkt darunter die Schale als „zum Verzehr geeignet“ bezeichnet wird. Der aufmerksame und verständige Verbraucher (das Leitbild des UWG) wird dadurch nicht getäuscht werden, da er „Schale“ von „Schale“ zu unterscheiden weiß. Trotzdem macht er sich auf, die nächstgelegene Netto-Filiale aufzusuchen, da der Preis von 1,49 Euro für sechs Limetten mit zum Verzehr geeigneter Schale anziehend erscheint.

In der Filiale erwartet den Verbraucher dann folgende Überraschung:

limetten-verpackung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie ersichtlich steht auf der Verpackung: „NACH DER ERNTE UNBEHANDELT“, was nicht die gleiche Botschaft ist wie „Schale zum Verzehr geeignet“.

Das könnte ein Fall von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG sein:

Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;

Einstiegsfrage: Handelt es sich bei der Werbung um eine geschäftliche Handlung?

Dazu finden wir in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG eine Legaldefinition:

Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

1. „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; […]

Die Netto-Werbung lässt sich als Verhalten einer Person zugunsten des eigenen Unternehmens qualifizieren, das der Förderung des Absatzes dient, mithin also als eine geschäftliche Handlung.

Nächste Frage: Ist diese geschäftliche Handlung irreführend?

Sie ist irreführend nach § 5 Abs. 1 S. 2 UWG dann, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über eines der in Nr. 1 genannten Merkmale enthält. In Frage kommen hier zumindest die Merkmale „Zusammensetzung“, „Verwendungsmöglichkeit“ und „Beschaffenheit“.

In der Werbung wird behauptet, dass die Schale der Limetten zum Verzehr geeignet sei. Das ist eine uneingeschränkte Aussage über die Zusammensetzung (Schale als Teil der Limette), die Verwendungsmöglichkeit (Verzehr) und die Beschaffenheit (unbehandelte Schale).

Auf der Packung angesprochen wird die Realität, dass die Schale „nach der Ernte unbehandelt“ geblieben ist. Das lässt nicht erkennen, was vor der Ernte mit der Schale geschehen ist. Eine vor der Ernte in irgendeiner Art und Weise behandelte Limette ist nicht mehr ohne Einschränkung zum Verzehr geeignet. Die zitierte Werbung bildet also nicht die Realität ab, von der man erst auf der Verpackung erfährt. Es liegt also eine unwahre Werbebehauptung vor.

Nächste Frage: Ist die unwahre Werbebehauptung geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5 Abs. 1 S. 1 UWG)?

Betrachten wir dazu die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG:

Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

„geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden.

Das klingt zunächst so, als müsse der Verbraucher bereits ein Geschäft abgeschlossen haben, damit man von einer geschäftlichen Entscheidung sprechen kann. Das durch eine falsche Werbung veranlasste vorbereitende Nachdenken vor der Kaufentscheidung wäre dann nicht erfasst. Das hat aber der EuGH anders gesehen:

Nach dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29 [UGP-Richtlinie, M.H.] wird der Begriff „geschäftliche Entscheidung“ weit definiert. Danach ist eine geschäftliche Entscheidung nämlich „jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will“. Dieser Begriff erfasst deshalb nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts.

(EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-281/12 –, juris)

Und so wird das auch in der deutschen Kommentar-Literatur gesehen:

Zur geschäftlichen Entscheidung, die beeinflusst wird, zählt die Rechtsprechung nicht nur die Entscheidung des Verbrauchers, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigt, sondern auch jede damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidung, wie insbesondere über das Betreten eines Geschäfts.

(Diekmann in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl. 2016, § 5 UWG, Rn. 209)

Ergebnis also: Die unwahre Werbebehauptung ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung (= Betreten des Geschäfts) zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Die Limetten-Werbung ist unlauter (§ 5 Abs. 1 UWG).

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