Auto als Waffe?

Wolfgang Rottwinkel schreibt in der JA 2015, 593 (595):

Ebenso erstreckt sich der Vorsatz des T auf die Verwendung seines Wagens als gefährliches Werkzeug gem. § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB. Dass ein fahrendes Fahrzeug ein gefährliches Werkzeug im Sinne der Vorschrift sein kann, ist unstrittig (so auch BGH Beschl. v. 30.6.2011 – 4 StR 266/11 Rn. 5).

Könnte man die Lösung etwas anreichern?

Betrachten wir § 224 I Nr. 2 StGB:

(1) Wer die Körperverletzung

[…]

2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,

[…]

begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

[…]

Anhand des Wortes „anderen“ wird deutlich, dass es sich bei dem gefährlichen Werkzeug um einen Oberbegriff handelt und die Waffe einen Unterbegriff darstellt. So auch Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 16. Auflage 2015, § 14, Rn. 27 und Rn. 43

Gefährliches Werkzeug (Oberbegriff) ist jeder Gegenstand, der (als Angriffs- oder Verteidigungsmittel) nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung im konkreten Fall erhebliche Verletzungen hervorrufen kann (BGH NStZ 1987, 174; 2002, 594; 2010, 512, 513).

[…]

Für den Begriff der Waffe bleiben als Unterfall des gefährlichen Werkzeugs nur die sog. Waffen im technischen Sinn übrig (BGH StV 2002, 21, 22), also solche Werkzeuge, die ihrer Natur nach dazu bestimmt sind, auf mechanischem oder chemischem Wege Verletzungen beizubringen (Schusswaffe, Gaspistole, Schlagring).

Prüfungstechnisch sollte man demgemäß zumindest gedanklich mit der Prüfung des Unterbegriffs, also der Waffe, beginnen. Dass dieser Gedanke bei einem Auto nicht ganz fernliegend ist, zeigt der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 01.09.2008, 2 BvR 2238/07. Dort hat das Gericht sich mit der Frage beschäftigt, ob das strafrechtliche Analogieverbot verletzt ist, wenn ein Personenkraftwagen als Waffe iSd § 113 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB eingestuft wird. Unter Rn. 15 lesen wir:

Ein Personenkraftwagen ist vom möglichen Wortsinn des Begriffs der „Waffe“ in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht mehr umfasst.

Nach dieser Feststellung könnte dann zur Prüfung des gefährlichen Werkzeugs übergegangen werden. Dabei sollte die Floskel „unstrittig“ vermieden werden, da über diesen Punkt diskutiert wird. Heinrich Amadeus Wolff schreibt im Beck-Blog:

[…] dennoch finde ich, das Auto einerseits grundsätzlich nicht als Waffe verstehen zu können, aber auf jeden Fall als Werkzeug bei grammatikalischer Auslegung nicht so richtig überzeugend – aber wie das BVerfG entscheiden würde weiss ich nicht.

Bleibt nur noch die Frage, warum das Bundesverfassungsgericht nur darüber entscheiden musste, ob ein Auto eine Waffe ist und nicht, ob ein Auto ein gefährliches Werkzeug darstellt. Die Lösung liegt im Normtext von § 113 StGB vom 13.11.1998, gültig ab 01.01.1999 bis 04.11.2011. Damals lautete § 113 Abs. 2 S. 2 Nr. 1:

(2) […] Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1. der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, oder

Erst in der Fassung vom 01.11.2011, die ab dem 05.11.2011 gilt, heißt es:

(2) […] Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1. der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, um diese oder dieses bei der Tat zu verwenden, oder

Und so wissen wir jetzt nicht nur, dass im Rahmen von § 224 I Nr. 2 StGB die Waffe als Unterbegriff vorrangig zu prüfen ist, sondern können unserem Prüfer in der mündlichen Prüfung auch vortragen, in welchem Kontext sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage „Auto als Waffe?“ beschäftigt hat.

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