Primärquelle vs Sekundärquelle – ein lehrreicher Fall

In letzter Zeit habe ich mich hier im Blog ausführlicher mit dem Erbrecht beschäftigt. Jetzt ist die LTO-Reihe zu Ende. Das folgende Thema hat zwar mit einer erbrechtlichen Entscheidung zu tun, betrifft aber ein mit der zugehörigen Pressemitteilung verbundenes Problem. Es ist nämlich nicht so einfach, bei in die Welt gesetzten Texten eine notwendige Berichtigung zu kommunizieren.

Die Geschichte beginnt damit, dass ich im Fachdienst Erbrecht bei beck-online Folgendes las:

Etwa ein halbes Jahr vor dem Tod des Mannes hatten die Ärzte ein metastasierendes Bronchialkarzinom diagnostiziert. Kurz nach der Diagnose waren Lähmungen am rechten Arm aufgetreten. Dem Nachlassgericht wurden zwei als Testament überschriebene und mit dem Namen des Erblassers unterzeichnete Schriftstücke vorgelegt, von denen eines die Nachbarn und das andere die Geschwister des verstorbenen als Erben bezeichnete. Beide Seiten beantragten die Erteilung eines Erbscheins jeweils zu ihren Gunsten.

(FD-ErbR 2017, 394762, beck-online)

Sollte man sich auf diesen Text verlassen?

Aus praktischen Gründen wird man oft nicht umhin kommen, sich auf eine solche Fachinformation zu verlassen. Dass dies aber nicht immer angezeigt ist, verdeutlicht der vorliegende Fall. In dem Beschluss (03.08.2017, 2 Wx 169/17), auf den sich die Mitteilung des Fachdienstes bezieht, heißt es:

Am 02.09.2015 hat die Beteiligte zu 4) [eine Schwester, M.H.] zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie und die Beteiligte zu 3) [die andere Schwester, M.H.] als Miterben zu je ½-Anteil aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweist (Bl. 22 ff. d.A.). Sie haben vorgetragen, dass beide Testamente nicht vom Erblasser herrühren würden, sondern gefälscht seien.

(Rn. 5)

Wir sehen: Es gibt kein Testament, in dem die Schwestern des Erblassers als Erben eingesetzt wurden. Deswegen berufen sie sich auf die gesetzliche Erbfolge.

Doch wie kommt der Fachdienst dann zu der These, dass die Schwestern in einem Testament als Erbe bezeichnet worden seien? Das erklärt sich so: Die Pressemitteilung des OLG Köln enthielt ursprünglich diesen Fehler und wurde nachträglich wie folgt korrigiert:

Hinweis: Es handelt sich um einen korrigierten Text. In der Pressemitteilung vom 20.09.2017 war fälschlich ausgeführt, dass das zweite Testament die Geschwister begünstigt habe und dass diese auf dieser Grundlage die Erteilung eines Erbscheins beantragt hätten. 

Zugegeben: Es ist nicht leicht, aus diesem Zufallsfund einen allgemeinen Ratschlag abzuleiten. Wenn es darauf ankommt, sollte man also im Zweifel die Originalentscheidung konsultieren und sich nicht auf Sekundärquellen verlassen.

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