Nebenklage bei Verfahren gegen Jugendliche? Oder: Trau keinem Paragraphenzitat

Dinter/Jakob schreiben in „Die Staatsanwaltsklausur: Prüfungswissen für das Assessorexamen, 3. Aufl. 2018 in Randnummer 161:

Beachten Sie, dass die Nebenklage (nur) bei Verfahren gegen Jugendliche unzulässig ist, § 80 Abs. 3 JGG.

Was kann man dazu sagen?

Wirft man einen Blick ins Gesetz, so lautet § 80 Abs. 3 JGG wie folgt:

Der erhobenen öffentlichen Klage kann sich als Nebenkläger nur anschließen, wer verletzt worden ist

1. durch ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder nach § 239 Absatz 3, § 239a oder § 239b des Strafgesetzbuches, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist,

2. durch einen besonders schweren Fall eines Vergehens nach § 177 Absatz 6 des Strafgesetzbuches, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, oder

3. durch ein Verbrechen nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches.

Im Übrigen gelten § 395 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 4 und 5 und §§ 396 bis 402 der Strafprozessordnung entsprechend.

Von einem Ausschluss der Nebenklage bei Verfahren gegen Jugendliche ist da nicht die Rede.

Aber woher kommt dann die Auffassung von Dinter/Jakob in dem oben genannten Zitat? Das hat historische Gründe: § 80 Abs. 3 JGG lautete in der Fassung vom 11.12.1974, die bis zum 30.12.2006 gültig war, folgendermaßen:

Nebenklage ist unzulässig.

Jetzt stellt sich nur noch die Frage, warum der Gesetzgeber die Nebenklage jetzt ausnahmsweise auch in Verfahren gegen Jugendliche zulässt. Das erklären uns Brunner/Dölling:

Nach Abs. III war die Nebenklage gegen J bis 2006 unzulässig. Hierdurch sollte Gefahren für die erz. Ausgestaltung des JStrafverfahrens entgegengewirkt werden. Das 2. JuMoG v. 30.12.2006 hat die Nebenklage für bestimmte schwere Verbrechen eröffnet, um es dem Verletzten in diesen Fällen zu ermöglichen, „seine Sicht der Tat und der erlittenen Verletzungen einzubringen und seine Interessen aktiv zu vertreten“.

(Jugendgerichtsgesetz, 13. Aufl. 2017, § 80 Privatklage und Nebenklage, Rn. 7)

Was kann man daraus lernen? Jede These, die mit einem Verweis auf einen Paragraphen versehen ist, sollten wir überprüfen, indem wir den entsprechenden Paragraphen nachschlagen.

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