Weihnachtsbäume im Steuerrecht

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Steuerrecht und Weihnachtsbäumen? Die Antwort lautet „ja“, beispielsweise für den Fall, dass der Jemand Eigentümer eines Grundstücks mit Weihnachtsbäumen geworden ist, eben eines Weihnachtsbaumgrundstücks. Und was jetzt unter nicht speziell steuerrechtlichen Aspekten das Schöne ist: Die Lösung des vorzustellenden Falles führt in den Allgemeinen Teil des BGB, was den – oft anzutreffenden – Zusammenhang zwischen Zivilrecht und Steuerrecht veranschaulicht.

Die Geschichte beginnt so: Es wird ein Weihnachtsbaumgrundstück „zu einem Gesamtkaufpreis von 341.364,35 €“ erworben, wobei sich der Kaufpreis wie folgt zusammensetzt: „225.000 € für den Grundbesitz und einem Anteil von 87.050 € zuzüglich Umsatzsteuer (10,7%) für den Aufwuchs in Gestalt von angepflanzten Weihnachtsbaumkulturen (Nordmanntanne und Blaufichte)“. Man ahnt schon, was das Finanzamt als Wert für die Bemessung der Grunderwerbssteuer ansetzte: Den gesamten Kaufpreis für das Grundstück einschließlich des Wertes der dort wachsenden Nordmanntannen und Blaufichten. Will man sich diesem wertmäßigen Zugriff des Finanzamtes auf den Weihnachtsbaumbestand entziehen, bleibt § 95 BGB als argumentative Zuflucht, der in Absatz 1 Satz 1 besagt:

Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind.

Passt doch, denkt man. Alle Weihnachtsbäume finden auf dem Grundstück bestimmungsgemäß nur für eine begrenzte Zeit ihre Heimat, bis sie dann bestimmungsgemäß in den jeweiligen Wohnzimmern landen. So sah es denn auch das Finanzgericht Münster. Das Finanzamt wollte es aber genau wissen und legte Revision zum Bundesfinanzhof ein:

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung der §§ 94, 95 BGB. Die Weihnachtsbaumkulturen seien Erzeugnisse des Grundstücks und könnten deshalb, solange sie mit dem Boden zusammenhingen, nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. So könne auch Holz auf dem Stamm nicht selbständig übereignet werden. Abweichendes gelte nur für Baumschulen und Gärtnereien, in denen ein lebender Organismus vom Grundstück getrennt und die Pflanze selbst in intaktem Zustand veräußert werde. Weihnachtsbäume seien hingegen von vornherein dazu bestimmt, bis zum Erreichen einer bestimmten Größe und damit ihrer gesetzten Lebenserwartung auf dem Grundstück zu verbleiben, bis sie unter Zerstörung der Pflanzen als deren Produkt geerntet würden.

BFH, Urteil vom 23. Februar 2022, II R 45/19, Rn. 4

Der Bundesfinanzhof war von dieser Argumentation nicht überzeugt und stellte fest:

Weihnachtsbaumkulturen sind Scheinbestandteile des Grundstücks

BFH, Urteil vom 23. Februar 2022, II R 45/19, Rn. 13

Zur Begründung führte er aus:

Eine Verbindung erfolgt zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist. Maßgeblich ist der innere Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache. Dieser muss allerdings mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sein (BGH-Urteil vom 07.04.2017 – V ZR 52/16, NJW 2017, 2099, Rz 7). Einem vorübergehenden Zweck steht es weder entgegen, wenn die spätere Wiedertrennung erst nach langer Dauer zu erwarten ist (BGH-Urteil vom 16.11.1973 – V ZR 1/72, MDR 1974, 298, unter II.B.) noch, wenn sie wegen der Art der eingefügten Sachen zwangsläufig zu deren Zerstörung führt (BGH-Urteil vom 22.12.1995 – V ZR 334/94, BGHZ 131, 368, NJW 1996, 916, unter II.1.a; BFH-Urteil vom 09.04.1997 – II R 95/94, BFHE 182, 373, BStBl II 1997, 452, unter II.4.; beide betreffend massiv errichtete Gebäude). Deshalb ist es ebenso wenig wie im Falle eines nur zu vorübergehendem Zweck errichteten massiven Gebäudes erforderlich, dass die Scheinbestandteileigenschaft auf den ersten Blick sichtbar ist (a.A. Beschluss des Brandenburgischen OLG vom 24.08.2021 – 5 W 74/21, juris, Rz 12). Es reicht aus, wenn der äußere Anschein damit vereinbar ist.

BFH, Urteil vom 23. Februar 2022, II R 45/19, Rn. 14

Und damit hat unsere Geschichte ein gutes, man möchte fast sagen weihnachtliches Ende gefunden. Und nebenbei lernen wir: Die Kenntnis von § 95 Absatz 1 Satz 1 BGB kann Geld wert sein.

Und damit sei allen Leserinnen und Lesern des Blogs, der sich damit in die Weihnachtspause verabschiedet, eine schöne Weihnachtszeit und ein guter Beginn des Neuen Jahres gewünscht!

P.S. Da frühere Weihnachtsbeiträge nach wie vor als festtagsrelevant gelten dürfen, hier die Übersicht dazu:

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