Archiv für Öffentliches Recht

„Freiheit“, „Sicherheit“, „Gesundheit“ im GG

In der FAZ vom 11.09.2021 steuert René Schlott in einem Leserbrief auf S. 7 folgende Beobachtung bei:

Im Gegensatz zur Zeit Kants gibt es heute eine UN-Kinderrechtskonvention und eine geschriebene Verfassung in Deutschland, die Menschen- und Bürgerrechte garantiert. Das Grundgesetz war bei seiner Entstehung 1948/49 gedacht und konzipiert als eine Verfassung der Freiheit, die Worte Sicherheit und Gesundheit kommen darin nicht einmal vor. Freiheit durchzieht als Grundprinzip den gesamten Grundrechtekatalog. Ihre Einschränkung ist möglich, bedarf aber der Rechtfertigung und einer schlüssigen Begründung. Individuelle Ängste zählen nicht dazu.

Da ist natürlich die Versuchung groß, die Terminologie-Behauptung zum Grundgesetz durch eine Recherche zu überprüfen.

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Art. 6 Abs. 5 GG: „Unehelich“ oder „nichtehelich“?

Ist eine Grundgesetzausgabe zur Hand oder in Online-Reichweite? Was steht dort in Art. 6 Abs. 5? Vermutlich Folgendes:

Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Aber ist das, was das Wort „unehelichen“ angeht, eigentlich richtig? Man könnte daran zweifeln, wenn man bei Wolters Kluwer Online Art. 6 GG aufschlägt. Denn dort ist bei „unehelichen“ eine Fußnote 1 als redaktionelle Anmerkung beigefügt, die besagt:

„Müsste lauten: nichtehelichen“

Was bedeutet das?

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„Zulässig“ = „nicht offensichtlich unzulässig“? „Begründet“ = „nicht offensichtlich unbegründet“?

Nein, von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 2021 (1 BvR 2756/20), veröffentlicht am 05.08. 2021, soll hier nicht die Rede sein. Mit diesem Beschluss ist entschieden worden, dass das Land Sachsen-Anhalt durch das Unterlassen seiner Zustimmung zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag die Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt hat.

Betrachtet werden soll vielmehr die Berichterstattung in der FAZ zu dem vorangegangenen Eilverfahren. Dazu war unter der Überschrift „Die vermaledeiten 86 Cent – Karlsruhe entscheidet über die Erhöhung der Rundfunkgebühren“ folgendes zu lesen:

ARD, ZDF und Deutschlandradio legten umgehend Verfassungsbeschwerde ein. Sie sehen die grundgesetzlich garantierte Rundfunkfreiheit verletzt, die auch eine angemessene Finanzierung vorsieht. Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) hatte 86 Cent Erhöhung empfohlen, mit der eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden Euro bis 2024 geschlossen werden sollte. Die Eilanträge der Anstalten lehnte das Gericht ab, weil es keine Belege dafür sah, dass das Programm ohne Erhöhung unmittelbar zusammenbrechen würde. Die Anträge selbst jedoch seien zulässig und begründet, so die Richter. Sie urteilen nun, ob die De-facto-Ablehnung des Gesetzes durch Sachsen-Anhalt zulässig war.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.08.2021, Nr. 179, S. 10; Hervorhebung nicht im Original

Worüber wundert man sich bei der Lektüre dieses Textes?

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Entgegenstehende Rechtshängigkeit / entgegenstehende Rechtskraft

Kaiser/Köster/Seegmüller, Die öffentlich-rechtliche Klausur im Assessorexamen, 5. Aufl. 2019, Rn. 524 schreiben:

Der Anwalt kann eine solche rechtswegfremde Forderung vor dem ordentlichen Gericht einklagen und gleichzeitig im Anfechtungsprozess verwenden, da die zur Aufrechnung gestellte Forderung hierdurch nicht rechtshängig wird und damit der Einwand der entgegenstehenden Rechtskraft (§ 17 I 2 GVG) nicht eingreift.

Worüber könnte man hier stolpern?

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FAZ zum Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -„Die zweite“

Letzte Woche war hier von dem FAZ-Leitartikel die Rede, der am 30.4. die Feststellung traf, dass die „Karlsruher Richter“ Minderjährigen aus Bangladesch und Nepal „recht gegeben haben“. Das las sich dann, wie dargestellt, in der Online-Fassung dieses Leitartikels anders. Dort heißt es, dass das Gericht „sogar Minderjährigen aus Bangladesch und Nepal Hoffnung gemacht“ habe. Nun wurde das Thema in der FAZ vom 13.05. unter der Überschrift „Eine Stimme für künftige Generationen“ noch einmal aufgegriffen. Dort ist zu lesen:

1. „Die „Beschwerdeführenden“, wie das neuerdings in Karlsruhe heißt, hatten mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen das bisherige Klimaschutzgesetz geltend gemacht, der Staat habe keine ausreichenden Regelungen zur alsbaldigen Reduktion von Treibhausgasen getroffen.“

2. „Alle Welt ist betroffen – und kann womöglich auch klagen. Auch die Kläger aus Nepal und Bangladesch seien, so der Erste Senat, „beschwerdebefugt, weil nicht von vornherein auszuschließen ist, dass die Grundrechte des Grundgesetzes den deutschen Staat auch zu ihrem Schutz vor den Folgen des globalen Klimawandels verpflichten“. Eine Wirkung ihnen gegenüber erscheine „nicht von vornherein ausgeschlossen“. Im Ergebnis scheiterten sie – noch?“

3. „Künftig könnten selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Doch das müssen eigentlich die künftigen Generationen ausfechten, denen Karlsruhe nun eine Stimme gibt und zu deren Sachwalter es sich im, wie es in der Entscheidung heißt, „schwerfälligen“ demokratischen Prozess macht.“

Was lässt sich dazu sagen?

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