Archiv für Zivilrecht

Was bedeutet „Schrittgeschwindigkeit“?

Kostenlose juristische Aufklärung bekommt man in den Mitteilungsblättern der Stadt, in meinem Fall den „Blieskasteler Nachrichten“. In der Ausgabe vom 4. September 2015 (Nr. 36/2015) findet man in diesem Sinne einen Hinweis zur Schrittgeschwindigkeit (S. 5):

Unangepasste Geschwindigkeit in verkehrsberuhigten Bereichen

Aufgrund von vermehrten Beschwerden aus der Bevölkerung, macht das Ordnungsamt auf folgende Rechtslage aufmerksam:
In einem verkehrsberuhigten Bereich (blaue Schilder mit Personen, Auto und Haus) dürfen Fußgänger die gesamte Straße benutzen. Fahrzeuge dürfen in diesem Bereich nur mit Schrittgeschwindigkeit (max. 7 km/h) fahren. Bei allgemeinen Geschwindigkeitsmessungen wurde mehrfach festgestellt, dass diese Geschwindigkeit fast immer überschritten wird. Bisher kam es noch nicht zu Geschwindigkeitskontrollen in diesem Bereich.
Die Autofahrer werden gebeten, dort nicht schneller als Schrittgeschwindigkeit zu fahren.

[…]

Das Ordnungsamt appelliert an die Fahrzeugführer, sich an die vorgegebene Geschwindigkeit zu halten.

Erinnerungen an die Fahrschulzeit werden wach. Hatte nicht der Fahrlehrer beim Durchfahren des nächsten verkehrsberuhigten Bereichs etwas von 7 – 12 km/h gesagt? Oder sollte man „Schrittgeschwindigkeit“ wörtlich nehmen, was dann auf ca. 4 km/h hinausliefe?

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§ 14 Abs. 1 HeimG: Augen auf beim Landesrecht!

Ute Brenneisen, Familien- und Erbrecht, 3. Auflage 2015, Rn. 333 schreibt:

Ein Verstoß gegen § 14 HeimG und damit eine Nichtigkeit nach § 134 liegt vor, wenn der durch eine letztwillige Verfügung Bedachte ein Pflegeheim oder ein Pfleger ist. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 HeimG untersagt dem Heimträger u.a., sich von oder zugunsten von Heimbewohnern Geld- oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Die Vorschrift des § 14 HeimG ist geschaffen worden, weil bei einem Heimbewohner das Risiko hoch ist, dass die Verfügung von Todes wegen nicht auf einem freien Willensentschluss des Erblassers beruht. In diesem Fall verstößt die letztwillige Verfügung gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134.

Betrachten wir also § 14 Abs. 1 HeimG:

Dem Träger ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern oder den Bewerberinnen und Bewerbern um einen Heimplatz Geld- oder geldwerte Leistungen über das nach § 5 vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen.

Aber können wir § 14 Abs. 1 HeimG heute noch anwenden?

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Nicht ohne Übergangsvorschrift!

In der Klausurenlösung A 938 aus dem Klausurenkurs von Alpmann Schmidt heißt es auf Seite 3:

Da die AGB gegenüber der A als Unternehmerin verwendet werden, richtet sich die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Die §§ 308 und 309 BGB sind nach § 310 Abs. 1 S. 1 BGB nicht anwendbar. Allerdings indiziert ein Verstoß gegen die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB die Unangemessenheit auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr, es sei denn, die Klausel kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Verkehrs als angemessen angesehen werden, § 310 Abs. 1 S. 2 BGB.

Werfen wir einen Blick in § 310 I 1 BGB in der Fassung, die bis zum 28.07.2014 galt:

(1) § 305 Abs. 2 und 3 und die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden.

Das entspricht dem, was auch in der Lösung von Alpmann Schmidt steht. Nun könnte man aber ein Problem darin sehen, dass die Lösung vom 29.09.2014 stammt und der Fall vom 15.09.2014.
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Verkekst uns die FAZ?

ClownIn mündlichen Prüfungen wird, wenn es um einen Bezug zum Europarecht geht, einleitend gern gefragt (ich schreibe hier aus Erfahrung), worin der Unterschied zwischen einer Richtlinie und einer Verordnung besteht. Für die Antwort sollte man sich auf Artikel 288 AEUV beziehen, in dem es heißt:

[…]

Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.

[…]

Richtlinien bedürfen also der Umsetzung, Verordnungen nicht.

Dieses Thema spielt heute in der FAZ in dem Artikel „Die neue Welt der Cookie-Warnhinweise“ eine Rolle (18.08.2015, S. 23).

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Kleine Ursache mit Wirkung? Oder: Eine Geschichte, die das Prüfungsleben schrieb

AnanasVor Kurzem habe ich in einer mündlichen Prüfung im Rahmen meines Masters Folgendes erlebt.

Beim Prüfungsgespräch über ein datenschutzrechtliches Thema tauchte die Frage auf, wo das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Verankerung im Grundgesetz hat. Ein Kandidat antwortete:

Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG.

Das war natürlich für den Prüfer eine Überraschung, weil er mit einer anderen Reihenfolge und einer anderen Zitierweise bezogen auf Artikel 1 (Absatz 1 und nicht Absatz 2) gerechnet hatte.

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