Die Pflicht zum Auswendiglernen ist ein Problem des Jura-Studiums. In vielen Fällen helfen aber die uns zur Verfügung gestellten Sammlungen, wenn man weiß, wo dort von einem Thema die Rede ist. Drum gibt es ja auch den saloppen Spruch: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Manchmal laufen einem aber Aufsätze über den Weg, wo die einschlägigen Normen nicht mit erwähnt werden und so der Eindruck entsteht, man müsse alles auswendig lernen. Diesem Eindruck möchte ich im Folgenden entgegentreten, indem ich für einen Aufsatz zu einzelnen Zitaten (Cathrin Mächtle, Individualrechtsschutz in der Europäischen Union, JuS 2015, S. 28ff) die fehlenden Belegstellen nachtrage und bei der Gelegenheit die eine oder andere Frage zur Präzisierung aufwerfe.
Individualrechtsschutz in der Europäischen Union oder: Ein Blick ins „Gesetz“ hilft
Parteifähigkeit im Arbeitsgerichtsverfahren
In der Klausurlösung A 1017 des Klausurenkurses von Alpmann-Schmidt heißt es auf Seite 2:
Die Parteifähigkeit bestimmt sich im Arbeitsgerichtsverfahren nach § 10 ArbGG i.V.m. § 50 ZPO.
Ein Blick in beide Normen:
§ 10 ArbGG: Parteifähigkeit
Parteifähig im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind auch Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände; […]
§ 50 ZPO: Parteifähigkeit
(1) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist.
[…]
In beiden Normen wird die Parteifähigkeit geregelt, aber warum § 10 ArbGG iVm § 50 ZPO?
Das „neue“ Widerrufsrecht
Bereits am 18.02.2015 habe ich über das „neue“ Widerrufsrecht geschrieben. Es ist auf die seit dem 13.06.2014 geschlossenen Verträge anwendbar – also fast Zeit für eine Geburtstagsfeier. Die Gesetzessystematik hat sich grundlegend geändert. Förster hat die wesentlichen Änderungen in der JA 2014, 801 so zusammengefasst:
Auffällig ist insbesondere, dass das separat normierte Rückgaberecht des Verbrauchers entfallen ist (§ 356 BGB aF), die Rechtsfolgen des Widerrufs hingegen nunmehr eigenständig geregelt und nicht mehr durch Verweisung auf das allgemeine Rücktrittsrecht bestimmt werden (vgl. § 357 I BGB aF).
Heute habe ich mich dann mit einer Klausur von Alpmann Schmidt für das 2. Examen beschäftigt: Baumschulte ./. e-Handels GmbH u.a. (A 95 Lösung – Christoph Brede). Ich selbst befinde mich noch nicht in der Vorbereitung auf das 2. Staatsexamen und das Problem, das ich jetzt anspreche, stellt sich in Klausuren zum 1. und zum 2. Staatsexamen gleichermaßen, sodass alle daraus lernen können.
Schauen wir uns die entscheidenden Passagen an.
Erläuterungen zur Grundrechte-Charta
Ein momentan europarechtlich sehr prüfungsrelevantes Thema ist bei Artikel 51 Absatz 1 Satz 1 Grundrechte-Charta angesiedelt. Es geht dabei um den Anwendungsbereich der Grundrechte der Grundrechtecharta. Die relevante Regelung lautet wie folgt:
Diese Charta gilt für die Organe und Einrichtungen der Union unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union.
Die Frage ist nun, was „Durchführung des Rechts der Union“ bedeutet.
Der Traum jedes Bürgen: Der Bürge hat Zahlungen auf die Bürgschaft erlangt …
In der JuS 2014, 745ff bespricht Thomas Riehm in einer lesenswerten Urteilsbesprechung eine interessante bereicherungsrechtliche Konstellation.
Im Sachverhalt heißt es:
Die Kl. hatte als Bauträgerin einen Generalunternehmer mit der Errichtung einer Wohnanlage für 18,4 Millionen Euro zzgl. MwSt. beauftragt. In dem von der Kl. vorformulierten Generalunternehmervertrag wurde der Generalunternehmer verpflichtet, eine Bürgschaft iHv 10 % der jeweiligen Auftragssumme eines Bauabschnitts „zur Sicherung sämtlicher Ansprüche aus diesem Vertrag“ zu stellen.
Der Ausgangspunkt stellt sich also wie folgt dar:
Die Klägerin ist Bauträgerin. Sie hat den Generalunternehmer beauftragt. Dabei wurde der Generalunternehmer verpflichtet, eine Bürgschaft zu stellen. Wie in allen in Klausuren zu prüfenden Fällen ergeben sich nun bei der Abwicklung Schwierigkeiten:
Es sind noch Bauleistungen im Wert von 2,7 Millionen Euro offen. Für diese hatte der Generalunternehmer der Kl. eine entsprechende Bürgschaft der im vorliegenden Rechtsstreit beklagten Bank ausgehändigt. Die Kl. verlangt von der Bank Zahlung von 10 % der offenen Bauleistungen, also 270.000 Euro.
Weil der Generalunternehmer nicht alle Bauleistungen erfüllt hat, möchte die Klägerin nun von der Bank Zahlung erlangen, da diese eine Bürgschaft für den Generalunternehmer gestellt hat.
Schauen wir uns die Konstellation zuerst in einem Schaubild an: