Archiv für klartext-jura

Zur Abgrenzung von Primär- und Hilfsaufrechnung

Timm Nissen schreibt in der RÜ 2016, 57, 62:

Der Beklagte kann sich aber auch zunächst durch Bestreiten der anspruchsbegründenden Tatsachen und/oder die Geltendmachung sonstiger Einreden verteidigen und die Aufrechnung lediglich hilfsweise für den Fall erklären, dass die sonstige Verteidigung erfolglos bleibt. Bei einer solchen Hilfsaufrechnung (auch Eventualaufrechnung genannt) soll nach dem Willen des Beklagten über die Aufrechnung erst dann entschieden werden, wenn feststeht, dass die Klage ansonsten Erfolg hat. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn sich der Beklagte nicht ausschließlich mit der Aufrechnung verteidigt.

Eine Hilfsaufrechnung soll also dann vorliegen, wenn sich der Beklagte nicht ausschließlich mit der Aufrechnung verteidigt.

Liegt also eine Hilfsaufrechnung vor, wenn sich der Beklagte „primär“ mit Rechtsansichten und nur „hilfsweise“ mit einer Aufrechnung verteidigt? Hier muss man aufpassen, um nicht in eine Falle zu tappen.

Weiterlesen

Zu den Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes

Timm Nissen schreibt in der RÜ 2016, 19, 21:

Voraussetzung des mittelbaren Besitzes ist das Bestehen eines Besitzmittlungsverhältnisses i.S.v. § 868 BGB (hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Schulte-Nölke § 868 Rn. 2 ff.). Dieses setzt voraus

(1) ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis, welches auf Rechtsgeschäft, Gesetz oder staatlichem Hoheitsakt beruhen kann,

(2) ein Besitzrecht des unmittelbaren Besitzers, von dem das Besitzrecht des mittelbaren Besitzers abgeleitet werden kann,

(3) einen wirksamen und durchsetzbaren Herausgabeanspruch des unmittelbaren gegen den mittelbaren Besitzer und schließlich

(4) einen Fremdbesitzerwillen des unmittelbaren Besitzers.

Sind das so wirklich die Voraussetzungen für mittelbaren Besitz?
Weiterlesen

Täuschungsabsicht vs. Nachteilszufügungsabsicht

Betrachten wir heute den folgenden Ausschnitt aus der Musterlösung einer Klausur von Benjamin Dzatkowski (JA 2019, 36, 41):

Tatkomplex 2: Das Geschehen bei der Staatsanwaltschaft

A. Strafbarkeit des R gem. §§ 267 I Var. 2, 22, 23 I StGB hinsichtlich Verfahrensakte

R könnte sich wegen versuchter Urkundenfälschung gem. §§ 267 I Var. 2, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben, indem er in die Geschäftsstelle ging, um das Aquarell aus der Verfahrensakte zu entfernen.

[…]

2. Zwischenergebnis

Somit liegt kein Tatentschluss hinsichtlich einer Gesamturkunde vor.

III. Ergebnis

R hat sich nicht wegen versuchter Urkundenfälschung gem. §§ 267 I Var. 2, 22, 23 I StGB strafbar gemacht.

Hinweis: Wer die Gesamturkunde bejaht, muss weiterprüfen, ob die Gesamturkunde durch die Herausnahme des Aquarells verfälscht werden sollte. Wenn eine übergeordnete Beweisbestimmung im Sinne einer Vollständigkeitserklärung angenommen wird, müsste dies ebenfalls bejaht werden. Ebenso die Nachteilszufügungsabsicht, für die nach hM sicheres Wissen ausreichend ist (Rengier StrafR BT II, 18. Aufl. 2017, § 36 Rn. 8; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, 41. Aufl. 2017, Rn. 895 f.; BGH wistra 2010, 104).

Der Autor ist also der Auffassung, dass für eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB eine Nachteilszufügungsabsicht erforderlich ist. Ist das wirklich so?

Weiterlesen

Zur Beteiligungsfähigkeit eines Bürgerbegehrens nach § 61 Nr. 2 VwGO

Wüstenbecker, Die verwaltungsgerichtliche Assessorklausur, 10. Aufl. 2016, Rn. 80 ff. schreibt:

Beteiligter kann nur sein, wer beteiligungsfähig ist (§ 61 VwGO, entspricht der Parteifähigkeit i.S.d. § 50 ZPO).

[…]

Nach § 61 Nr. 2 VwGO sind auch (nicht rechtsfähige) Vereinigungen beteiligungsfähig, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Eine „Vereinigung“ ist nur gegeben, wenn sie auf gewisse Dauer ausgelegt ist und ein Mindestmaß an Organisation aufweist.

[…]

Es müssen Rechte der Vereinigung selbst betroffen sein und nicht nur der einzelnen Mitglieder,

Nicht beteiligungsfähig ist danach z.B. ein Bürgerbegehren, sondern nur die Initiatoren bzw die Vertreter des Begehrens.

Zur letzten These wird in Fn. 25 auf „OVG NRW, Urt. v. 05.02.2002 – 15 A 1965/99, NWVBl. 2002, 346, 347; Fleischfresser NWVBl. 2004, 485, 486“ verwiesen.

Doch sollte man die These, dass ein Bürgerbegehren nach § 61 Nr. 2 VwGO nicht beteiligungsfähig ist, in Rheinland-Pfalz vertreten?

Weiterlesen

Bei Berufungsgericht zugelassener Rechtsanwalt?

Bei Ingwersen-Stück in Gerhold/Hoefer/Ingwersen-Stück/Schulz: Formulare für Referendare, 2. Aufl. 2016, S. 32, Anm. 71 lesen wir:

Die Berufungsschrift muss gemäß § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, enthalten, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Sie muss von einem bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. […]

Von einem bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt„? 

Weiterlesen