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Die Drei-Stufen-Theorie – ein Prüfungsklassiker mit Tücken im Detail

Gerrit Forst und Johannes Hellebrand schreiben im Alpmann-Skript „Die mündliche Prüfung im 1. Examen“, 2016, unter Randnummer 232:

Dreistufentheorie: Die Dreistufentheorie hat das BVerfG im Apotheken-Urteil entwickelt. […] Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs nehmen mit jeder Stufe zu:

  • Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit [….] können danach schon aus vernünftigen Gemeinwohlerwägungen gerechtfertigt werden.
  • Eingriffe in die Berufswahlfreiheit, die an subjektive Voraussetzungen des Grundrechtsträgers [z.B. bestandene Prüfungen] anknüpfen [zweite Stufe], sind nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig.
  • Eingriffe in die Berufswahlfreiheit, die an objektive Voraussetzungen [z.B. feste Höchstzahlen] anknüpfen [dritte Stufe], sind nur zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig.

Sollten wir die Voraussetzungen, die das BVerfG im Apothekenurteil entwickelt hat, so wiedergeben?

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Zwischen „nach“ und „seit“: Kreative Umgestaltung des Gesetzestextes?

glaskugelMit Urteil vom 14. Dezember 2016 (Az. VIII ZR 232/15) hat der Bundesgerichtshof Eigenbedarfskündigungen durch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts für zulässig erklärt und seine Rechtsprechung zur Anbietpflicht eines Vermieters in diesem Falle geändert – eine mietrechtlich sehr bedeutsame Entscheidung. Bisher gibt es dazu nur die Pressemitteilung, die Gründe liegen noch nicht vor.

[Update: Das Urteil ist mittlerweile online abrufbar.]

In der Pressemitteilung gibt es einen besonderen Service. Die zitierten Paragraphen werden in *-Fußnoten beigefügt. Das ist zu begrüßen, da sich Pressemitteilungen an eine breitere Öffentlichkeit wenden, die das Gesetz nicht immer zur Hand haben wird. Einem eintrainierten Reflex nach konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, die vom BGH beigegebenen Gesetzestexte nachzuprüfen. Sie sind – wen würde es wundern – überwiegend korrekt. Aber es gibt eine Merkwürdigkeit.

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So geht Strafrecht: Mein persönlicher Favorit für den Allgemeinen Teil

Es gibt viele nützliche Strafrechts-Lehrbücher, aber nur eines, das ich mit Begeisterung gelesen und durchgearbeitet habe. Deshalb soll hier das Loblied eines Lehrbuchs zum Allgemeinen Teil des Strafrechts gesungen werden, das mich vom ersten Semester bis zur ersten juristischen Prüfung begleitet hat. Ich berichte also sozusagen über ein Langzeitexperiment.

Das Buch hat in der aktuellen 5. Auflage 716 Seiten, wiegt (selbst gewogen) 1115 Gramm und kostet 52 Euro, also 7,3 Cent pro Seite (noch günstiger wird der Seitenpreis, wenn man die Seiten mehrmals liest) und 4,7 Cent pro Gramm. Und das Geld ist das Buch nun wirklich wert.

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Ein Prosit der Verjährung

Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Scherz, den ich in einer Erstsemester-Vorlesung gehört habe. Der Professor fragte, warum Anwälte nicht entspannt den Silvester-Abend feiern können. Antwort: Wegen der drohenden Verjährung.

Es ist ja in der Tat so, dass zum Jahresende für zahlreiche Ansprüche die Verjährung eintritt. Das ist auch der Grund dafür, dass zum Jahresende hin die Frage der Verjährung als klassisches Jahresende-Thema medial immer wieder aufgegriffen wird. So konnte man beispielsweise in der Online-Ausgabe der „Welt“ lesen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ist diese Information richtig?

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Zu Weihnachten

Heute ist der 23.12.2016, also ein Tag vor Heiligabend. Wir wollen nicht hoffen, dass bei irgendjemandem für den morgigen Heiligen Abend eine Zustellung ansteht. Denn diesbezüglich gibt es leider schlechte Nachrichten vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.

Nach dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof besteht „kein offizieller Grundsatz, der eine Zustellung behördlicher Schreiben vor Weihnachten verbieten würde“. Die entsprechenden Erwägungen des Gerichts zu einer möglichen Zustellung an Heiligabend lauten:

Selbst wenn ihr dieser [Widerspruchsbescheid, M.H.] jedoch bereits an diesem Tag zugestellt worden wäre, läge darin kein Verstoß gegen § 73 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 VwZG, da es sich bei Heiligabend nicht um einen gesetzlichen Feiertag i.S.d. Art. 1 Abs. 1 FTG, sondern nur um einen sog. „Stillen Tag“ handelt, an dem ab 14:00 Uhr Unterhaltungsveranstaltungen grundsätzlich untersagt sind (Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FTG). Mag dieser heutzutage auch vielerorts dienstfrei sein, handelt es sich dabei gleichwohl um einen Werktag (BAG, U.v. 30.5.1984 – 4 AZR 512/81 – juris Rn. 28). Es ist auch nicht ersichtlich, wie die Klägerin durch die Zustellung an Heiligabend in ihrem Recht auf freie Religionsausübung bzw. in ihren religiösen Befindlichkeiten hätte beeinträchtigt werden können, zumal sie nach ihren eigenen Angaben nur davon Kenntnis hatte, dass an diesem Tag ein Bescheid des Beklagten hätte zugestellt werden sollen, nicht aber von dessen Inhalt. Soweit sie damit eine Störung des sog. „Weihnachtsfriedens“ rügen sollte, besteht auch kein offizieller Grundsatz, der eine Zustellung behördlicher Schreiben vor Weihnachten verbieten würde (LG Dessau-Roßlau, B.v. 17.3.2011 – 1 T 19/11 – juris Rn. 14).

(Beschluss vom 13. September 2016, 3 ZB 16.1458, Rn. 16)

Gute Nachrichten zu Weihnachten gibt es hingegen von www.klartext-jura.de:

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